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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Jungen.
     
     

11
     
    Nachdem das Grab zugeschaufelt und mit Felsbrocken bedeckt war, ging Roland zur Straße zurück und begutachtete die von den unterschiedlichen Spuren erzählte Geschichte, nur weil er nichts anderes zu tun hatte. Als diese sinnlose Aufgabe erledigt war, setzte er sich auf einen umgestürzten Baumstamm. Oy war am Grab geblieben, und Roland ahnte, dass der Bumbler dort verweilen würde. Er würde ihn rufen, sobald Mrs. Tassenbaum zurückkam, aber er wusste, dass Oy vielleicht nicht kommen würde; wenn nicht, konnte das nur bedeuten, dass Oy beschlossen hatte, seinem Freund auf die Lichtung zu folgen. Der Bumbler würde einfach an Jakes Grab Wache halten, bis der Hunger (oder irgendein Raubtier) sein Leben forderte. Dieser Gedanke vermehrte Rolands Schmerz, aber er würde Oys Entscheidung respektieren.
    Zehn Minuten später kam der Bumbler von selbst aus dem Wäldchen und setzte sich neben Rolands linken Stiefel. »Guter Boy!«, sagte Roland und fuhr ihm über den Kopf. Oy hatte zu leben beschlossen. Es war nur ein kleiner Trost, aber es war ein guter Trost.
    Wieder zehn Minuten später näherte sich ein dunkelroter Wagen fast lautlos der Stelle, an der King angefahren und Jake tödlich verletzt worden war. Er hielt auf dem Seitenstreifen. Roland öffnete die Beifahrertür, stieg ein und zuckte dabei aus alter Gewohnheit vor Schmerzen zusammen, die er längst nicht mehr verspürte. Oy sprang ohne Aufforderung zwischen seine Füße, legte sich mit der Schnauze an seine Seite gekuschelt nieder und schien sofort einschlafen zu wollen.
    »Haben Sie Ihren Jungen bestattet?«, fragte Mrs. Tassenbaum, als sie anfuhr.
    »Ja. Danke-sai.«
    »Ich kann dort keinen Grabstein aufstellen, glaube ich«, sagte sie, »aber ich könnte später etwas anpflanzen. Wissen Sie vielleicht, was ihm gefallen würde?«
    Roland sah auf und lächelte zum ersten Mal seit Jakes Tod wieder. »Ja«, sagte er. »Eine Rose.«
     
     

12
     
    Sie fuhren fast zwanzig Minuten lang, ohne ein Wort zu sprechen. Mrs. Tassenbaum hielt vor einem kleinen Laden im Gemeindebereich Bridgton und tankte: MOBIL, eine Marke, die Roland von seinen Wanderungen her kannte. Als sie hineinging, um zu zahlen, sah er zu los ángeles auf, die klar und deutlich über den Himmel zogen. Der Pfad des Balkens – und bereits stärker, wenn er sich das nicht nur einbildete. Vermutlich spielte es aber auch keine Rolle, ob er das tat. Wenn der Balken nicht schon stärker war, würde er es bald sein. Sie hatten es geschafft, ihn zu retten, wenngleich Roland sich über diesen Gedanken nicht freuen konnte.
    Als Mrs. Tassenbaum aus dem Laden zurückkam, hielt sie ein Hemd in Leibchenform mit Kurzärmeln in der Hand. Auf der Vorderseite war eine Kutsche abgebildet – ein richtiger Bucka-Wagen –, die von einem Kreis aus Worten umgeben war. Roland konnte HOME entziffern, sonst nichts. Er fragte Irene, was die Worte besagten.
    »BRIDGTON OLD HOME DAYS, 27. BIS 30. JULI 1999«, las sie vor. »Was darauf steht, ist unwichtig, wenn es nur Ihre Brust bedeckt. Früher oder später werden wir irgendwo anhalten und übernachten wollen, und hierzulande gilt die Redensart: ›Kein Hemd, keine Schuhe, kein Service.‹ Ihre Stiefel sehen zwar ziemlich abgewetzt und mitgenommen aus, aber damit kommen Sie wahrscheinlich überall rein. Aber mit nacktem Oberkörper? Ä-äh, ausgeschlossen! Später besorge ich Ihnen ein besseres Hemd – eines mit Kragen – und auch eine anständige Hose. Die Jeans sind ja so schmutzig, dass sie bestimmt schon von allein stehen könnten.« Sie führte eine kurze (aber heftige) innere Debatte, dann wagte sie den Sprung ins kalte Wasser. »Sie haben ungefähr zwei Millionen Narben, würde ich sagen. Und das betrifft nur den Teil von Ihnen, den ich sehen kann.«
    Darauf ging Roland nicht ein. »Hast du Geld?«, fragte er.
    »Ich habe dreihundert Dollar mitgenommen, als ich zu Hause war, um den Wagen zu holen, und hatte dreißig oder vierzig in der Tasche. Außerdem Kreditkarten, aber Ihr verstorbener Freund wollte, dass ich möglichst lange bar bezahle. Am besten, bis Sie allein weiterziehen können. Er hat auch gesagt, dass irgendwelche Leute nach Ihnen fahnden könnten. Er hat sie ›niedere Männer‹ genannt.«
    Roland nickte. Ja, dort draußen würden niedere Männer unterwegs sein, und nach allem, was er und sein Ka-Tet getan hatten, um die Pläne ihres Herrn zu durchkreuzen, würden sie doppelt eifrig danach streben, seinen Kopf zu bekommen.

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