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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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tatsächlich immer aus Südosten zu kommen und dort hinzufliegen schienen. Die Vögel konnten bedeuten, dass sie letztlich doch vorankamen. Das war nicht viel, aber immerhin genug, um sie für den Rest des Tages und tief in eine weitere zitternd verbrachte, erbärmlich kalte Nacht hinein in gehobene Stimmung zu versetzen.
     
     

6
     
    Am nächsten Morgen, als sie in einem weiteren feuerlosen Lager ein weiteres kaltes Frühstück verzehrten (Roland hatte versprochen, dass sie an diesem Abend etwas Sterno verbrauchen würden, um wieder einmal eine Mahlzeit zu bekommen, die warm war), fragte Susannah, ob sie sich die Taschenuhr, die er von der Tet Corporation geschenkt bekommen hatte, ansehen dürfe. Roland reichte sie ihr bereitwillig hinüber. Sie betrachtete die drei in den Sprungdeckel eingravierten Siguls lange, vor allem den Turm mit seinen spiralförmig aufsteigenden Fenstern. Dann ließ sie den Deckel aufspringen und las die Widmung. Ohne zu Roland aufzusehen, sagte sie: »Erzähl mir noch mal, was sie gesagt haben.«
    »Sie haben weitergegeben, was sie von einem ihrer Telepathen gehört hatten. Ihrer Darstellung nach muss er besonders talentiert sein, aber ich habe seinen Namen vergessen. Er meint jedenfalls, dass die Uhr stehen bleiben oder sogar rückwärts laufen könnte, wenn wir uns dem Dunklen Turm nähern.«
    »Schwer vorstellbar, dass eine Patek Philippe rückwärts laufen soll«, sagte Susannah. »Sie zeigt an, dass es in New York momentan acht Uhr sechzehn morgens oder abends ist. Dem Gefühl nach scheint’s hier jetzt ungefähr halb sieben zu sein, aber das hat vermutlich nicht viel zu bedeuten. Trotzdem, woher sollen wir wissen, ob dieses Ding nun vor- oder nachgeht?«
    Roland hatte aufgehört, Sachen zu seinen Gunna zu packen, und dachte über ihre Frage nach. »Siehst du den kleinen Zeiger unten in der Mitte? Den, der ganz allein umläuft?«
    »Den Sekundenzeiger, ja.«
    »Sag mir, wann er genau oben ankommt.«
    Sie verfolgte, wie der Sekundenzeiger seinen Kreis vollendete, und als er oben anlangte, sagte sie: »Jetzt!«
    Roland war in die Hocke gegangen, was er inzwischen mit seiner schmerzfreien rechten Hüfte mühelos konnte. Er schloss die Augen und umschlang seine Knie mit den Armen. Bei jedem Ausatmen stand eine dünne Atemwolke vor seinem Gesicht. Susannah bemühte sich, sie nicht zu beachten; ihr kam es vor, als hätte die verhasste Kälte genügend Kraft gewonnen, um vor ihnen zu erscheinen: weiterhin geisterhaft, aber deutlich sichtbar.
    »Roland, was …«
    Er machte eine abwehrende Handbewegung, ohne die Augen zu öffnen, und sie verstummte.
    Der Sekundenzeiger beschrieb hastig seinen Kreis, tauchte erst nach unten und stieg dann wieder auf, bis er senkrecht stand. Und als er dort anlangte …
    Roland öffnete die Augen und sagte: »Das war eine Minute. Wahrhaftig eine Minute, so wahr ich unter dem Balken lebe.«
    Sie starrte ihn verblüfft an. »Wie um Himmels willen schaffst du das?«
    Roland schüttelte den Kopf. Er wusste’s nicht. Er wusste nur, dass Cort ihnen gepredigt hatte, sie müssten stets imstande sein, die Zeit im Kopf zu messen, weil man sich auf mechanische Uhren nicht verlassen könne und Sonnenuhren an bewölkten Tagen nun einmal wertlos seien. Oder natürlich um Mitternacht. In einem Sommer hatte er sie in einer unbehaglichen Nacht nach der anderen in den Hain westlich des Schlosses geschickt (und dort draußen war es ziemlich unheimlich, zumindest wenn man allein war, obwohl das natürlich keiner laut gesagt hätte – nicht einmal die Jungen untereinander), bis sie genau pünktlich zu der von Cort festgesetzten Minute auf den Hof hinter dem Großen Saal zurückkehren konnten. Es war merkwürdig, wie jene Uhr im Kopf funktionierte. Anfangs tat sie das natürlich nicht. Und wieder nicht. Und wieder nicht. Dann holte Cort mit seiner schwieligen Hand aus, ließ sie zu einem wuchtigen Schlag herabfallen und knurrte: Grrr, Wurm, heut Abend geht’s zurück in den Wald! Dir scheint’s dort draußen ja mächtig zu gefallen! Aber sobald die Uhr im Kopf dann einmal zu ticken begann, schien sie für immer und ewig richtig zu gehen. Eine Zeit lang hatte Roland diese Fähigkeit zwar eingebüßt gehabt, genau wie die Welt ihre Himmelsrichtungen verloren hatte, aber jetzt war sie wieder da, und das munterte ihn gewaltig auf.
    »Hast du die Minute abgezählt?«, fragte sie. »Einundzwanzig, zweiundzwanzig, irgendwas in der Art?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß es

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