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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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auf seinem Balkon gefangen steht.«
    Das war ziemlich viel mehr, als Roland tatsächlich gesagt hatte (und wir müssen’s wissen, waren wir doch dabei), und mehr als genug für Mordred.
    Trotzdem nicht genug für Rando Thoughtful. Noch vor zehn Tagen hätte es vielleicht genügt, um das zu bewirken, was der Alte erreichen wollte: den Jungen dazu zu provozieren, ihn schnell zu töten. Aber Mordred war rasch gereift und widerstand jetzt seinem ersten Impuls, einfach über die Brücke zu stürmen, dabei die Gestalt zu wechseln und Rando Thoughtful mit einem einzigen Schlag eines stacheligen Beins den Kopf vom Leib zu reißen.
    Stattdessen sah er zu den Krähen auf – die sich jetzt zu hunderten versammelt hatten –, und sie erwiderten seinen Blick so aufmerksam wie Schüler in einem Klassenzimmer. Der Junge machte eine flatternde Bewegung mit den Armen, dann zeigte er auf den Alten. Sofort erfüllte Flügelschwirren die Luft. Der Lordkanzler des Königs wandte sich sofort zur Flucht, aber bevor er auch nur einen einzigen Schritt tun konnte, fielen die Krähen in einer tintenschwarzen Wolke über ihn her. Er riss die Arme hoch, um sein Gesicht zu schützen, als sie auf Kopf und Schultern landeten und ihn in eine Vogelscheuche verwandelten. Dieser Reflex nutzte ihm jedoch nichts; weitere Krähen setzten sich nun auf seine erhobenen Arme, bis das schiere Gewicht der Vögel ihn zusammenbrechen ließ. Schnäbel pickten und hackten ins Gesicht des Alten und überzogen es mit einer Tätowierung aus winzigen Blutflecken.
    »Nein!«, rief Mordred. »Hebt mir seine Haut auf … die Augen könnt ihr meinetwegen haben.«
    Als die gierigen Krähen nun Rando Thoughtful die Augen aus den Höhlen pickten, war das der Zeitpunkt, wo der ehemalige Lordkanzler den anschwellenden Schrei ausstieß, den Roland und Susannah hörten, während sie an der Straßenkreuzung rasteten. Die Vögel, die nicht auf ihm Platz fanden, umflatterten ihn wie eine lebende Gewitterwolke. Sie drehten ihn levitierend auf den Bauch und trugen ihn zu dem Verwandelten, der jetzt zur Brückenmitte vorgeprescht war und dort hockte. Die Stiefel und die zerschlissene wattierte Jacke waren vorläufig auf der Stadtseite der Brücke zurückgeblieben; was nun auf Sai Thoughtful wartete – auf den Hinterbeinen aufgerichtet, mit den Vorderbeinen in die Luft krallend, das rote Mal auf dem behaarten Unterleib nur allzu deutlich sichtbar – war Dan-Tete, der Kleine Rote König.
    Der Mann schwebte seinem Schicksal entgegen, augenlos und kreischend. Er streckte die Hände vor sich aus, machte sinnlose Abwehrbewegungen, und die Spinne packte eine davon mit den Vorderbeinen und führte sie in ihren stacheligen Rachen, der sie wie eine Zuckerstange krachend verschlang.
    Köstlich!
     
     

8
     
    An diesem Abend, jenseits der eigenartig schmalen, seltsam unerfreulichen Stadthäuser, machte Roland vor etwas Halt, bei dem es sich früher vermutlich um eine kleine Farm gehandelt hatte. Er blieb vor dem Wohngebäude stehen und schnüffelte.
    »Was gibt’s, Roland? Was?«
    »Kannst du das Holz dieses Hauses riechen, Susannah?«
    Sie schnüffelte ebenfalls. »Ja, das kann ich – was ist damit?«
    Er drehte sich lächelnd nach ihr um. »Wenn wir’s riechen können, dann können wir’s auch verbrennen.«
    Das erwies sich als richtig. Auch mit Rolands raffiniertesten Waldläuferfertigkeiten und einer halben Dose Sterno war es zunächst zwar schwierig, ein Feuer in Gang zu bekommen, aber schließlich gelang es doch. Susannah rückte so nahe wie irgend möglich an die Flammen heran, drehte sich regelmäßig um, damit beide Seiten gleichmäßig geröstet wurden, und genoss den Schweiß, der ihr erst auf Gesicht und Brüsten, dann auf dem Rücken ausbrach. Sie hatte vergessen, wie es war, ganz durchwärmt zu sein, und legte ständig Holz nach, bis das Lagerfeuer einem lodernden Scheiterhaufen glich. Für die Tiere im weiten Land entlang dem Pfad des heilenden Balkens musste dieses Feuer einem zur Erde gestürzten Kometen gleichen, der weiterhin gloste. Oy saß neben ihr, hielt die Ohren gespitzt und starrte wie hypnotisiert in die Flammen. Susannah rechnete damit, dass Roland gleich protestieren, dass er sie auffordern würde, nicht dauernd Holz nachzulegen, sondern es um ihres Vaters willen etwas herabbrennen zu lassen – aber das tat er nicht. Er saß nur mit seinen zerlegten Revolvern vor sich da und ölte die Teile. Als ihm das Feuer irgendwann zu heiß wurde, rückte er etwas davon

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