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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Hitze, die ihre Haut erwärmte, bis sie mit einer dünnen Schweißschicht bedeckt war, war gänzlich verloren. Wie jemand, der für ein paar Augenblicke gestorben war und einen kurzen Blick in ein lichtes Leben nach dem Tod hatte werfen dürfen, konnte sie nichts anderes sagen, als dass es irgendwie wundervoll gewesen sei.
    Roland saß mit einem um ihre Schulter gelegten Arm da und hustete gelegentlich mit einem trockenen Bellen. Susannah befürchtete, dass er noch krank werden würde, aber auch dieser Gedanke hatte keine Kraft. Nur die Kälte.
    Einmal – kurz bevor der anbrechende Tag endlich den Himmel im Osten heller werden ließ – sah sie weit vor ihnen, schon jenseits der Schneegrenze, orangerote Lichter, die wirbelnd tanzten. Sie fragte Roland, ob er wisse, was das sei. Eigentlich interessierte sie es gar nicht, aber die eigene Stimme zu hören gab ihr wenigstens die Gewissheit, dass sie nicht schon längst tot war. Zumindest noch war sie es nicht.
    »Ich glaube, das sind Hobs.«
    »W-w-was s-s-sind das?« Sie konnte jetzt nur noch stammelnd und stotternd sprechen.
    »Ich weiß nicht, wie ich sie dir erklären soll«, sagte er. »Irgendwie ist das aber auch nicht nötig. Du wirst sie noch zu sehen bekommen. Wenn du genau hinhorchst, kannst du im Augenblick nämlich etwas hören, das näher und interessanter ist.«
    Anfangs hörte sie nur das Seufzen des Windes. Dann ließ es nach, und ihre Ohren fingen das trockene Rascheln auf, mit dem etwas in der Senke unter ihnen durchs Gras lief. Wenig später folgte ein leises Knacken. Susannah wusste genau, was das war: ein Huf, der durch dünnes Eis stampfte, um das fließende Wasser darunter freizulegen. Sie wusste auch, dass sie in drei, vier Tagen einen Mantel aus dem Fell des Tieres tragen konnte, das jetzt in der Nähe trank, was ihr allerdings ebenfalls nichts bedeutete. Zeit war ein unbrauchbarer Begriff, wenn man unter ständigen Schmerzen in der Dunkelheit wachte.
    Hatte sie jemals früher schon einmal derart gefroren? Das war ziemlich komisch, was?
    »Was ist mit Mordred?«, fragte sie. »Glaubst du, dass er dort draußen ist?«
    »Ja.«
    »Spürt er die Kälte auch so wie wir?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Viel mehr davon kann ich nicht aushalten, Roland – wirklich nicht!«
    »Das brauchst du auch nicht. Es wird bald Tag, und ich rechne fest damit, dass wir bei Anbruch der nächsten Dunkelheit ein Feuer haben werden.« Er hustete in die Faust, dann legte er ihr den Arm wieder um die Schultern. »Du wirst dich besser fühlen, sobald wir wieder unterwegs sind. Und bis dahin sind wir wenigstens nicht allein.«
     
     

2
     
    Mordred fror tatsächlich so wie sie, ganz genauso, und er hatte niemanden.
    Er war ihnen jedoch nahe genug, um sie reden zu hören: nicht, was sie wirklich sagten, aber den Klang ihrer Stimmen. Er zitterte hemmungslos und hatte sich den Mund mit dürrem Gras voll gestopft, weil er befürchtete, Rolands scharfe Ohren könnten seine Zähne klappern hören. Die Eisenbahnerjacke nutzte ihm nichts mehr: Er hatte sie weggeworfen, nachdem sie in so viele Fetzen zerfallen war, dass er sie nicht mehr zusammenhalten konnte. Die Jackenärmel hatte er noch eine Zeit lang getragen, aber dann hatten sie sich von den Ellbogen aus ebenfalls aufgelöst, worauf er sie mit einem wütenden Fluch ins niedrige Gras neben der alten Straße geschleudert hatte. Und die Stiefel konnte er nur weitertragen, weil es ihm gelungen war, langes Gras zu einem groben Strick zu flechten. Damit hatte er die Überreste an seinen Füßen festgebunden.
    Er hatte überlegt, ob er sich in seine Spinnengestalt zurückverwandeln sollte, weil er die Kälte dann weniger spüren würde, aber er war in seinem gesamten kurzen Leben stets vom Schreckgespenst des Verhungerns verfolgt worden und würde es vermutlich stets fürchten, auch wenn er noch so große Vorräte besaß. Die Götter wussten, dass jene im Augenblick nicht besonders reichlich waren: drei abgetrennte Arme, vier Beine (zwei schon angegessen) und ein Stück Rumpf aus dem Weidenkorb, das war alles. Hätte er sich jetzt verwandelt, hätte die Spinne diese Kleinigkeiten bis Tagesanbruch längst alle verschlungen. Und obwohl Mordred wusste, dass es hier Wild gab – er konnte das Rotwild ebenso deutlich vernehmen wie sein Weißer Daddy –, war er sich nicht ganz sicher, ob es ihm auch gelingen würde, es in eine Falle zu locken oder zu Tode zu hetzen.
    Also saß er einfach nur da und zitterte und lauschte ihren Stimmen,

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