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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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bis ihr Klang verstummte. Vielleicht schliefen sie. Vielleicht döste er selbst ein wenig. Das Einzige, was ihn daran hinderte, aufzugeben und umzukehren, war sein Hass auf sie. Weil sie einander hatten, während er niemanden hatte. Überhaupt niemanden.
    Mordred sein hongrig, dachte er unglücklich. Mordred ist kalt. Und Mordred hat niemand. Mordred ist allein.
    Er nahm ein Handgelenk zwischen die Zähne, biss tief hinein und saugte die hervorquellende Wärme auf. In dessen Blut schmeckte er einen letzten Rest von Rando Thoughtfuls Leben … aber nur so wenig! So rasch verflüchtigt! Und danach gab es nur noch den wertlosen, wiederverwerteten Geschmack seiner selbst.
    Im Dunkel begann Mordred lautlos zu weinen.
     
     

3
     
    Vier Stunden nach Tagesanbruch, unter einem weißen Himmel, der Regen oder Schneeregen (vielleicht beides zugleich) versprach, lag Susannah Dean vor Kälte zitternd hinter einem umgestürzten Baumstamm und blickte in eines der kleinen Täler hinunter. Du wirst Oy hören, hatte der Revolvermann ihr erklärt. Und du wirst auch mich hören. Ich werde tun, was ich kann, aber vor allem treibe ich sie vor mir her, und du wirst am besten zum Schuss kommen. Sorg dafür, dass jeder Schuss trifft.
    Was alles noch schlimmer machte, war ihr schleichender Verdacht, dass Mordred jetzt irgendwo ganz in der Nähe war und sie vielleicht aus dem Hinterhalt überfiel, während sie ihm den Rücken zukehrte. Sie sah sich immer wieder um, aber sie hatte einen verhältnismäßig ausgesetzten Platz gewählt, und im hohen Gras hinter ihr war nur ein einziges Mal ein Lebewesen zu sehen gewesen: ein großer brauner Hase, der mit bis zum Boden herabhängenden Löffeln vorbeihoppelte.
    Endlich hörte sie Oys aufgeregt hohes Kläffen aus dem niedrigen Wäldchen zu ihrer Linken. Im nächsten Augenblick rief Roland auch schon. »Heisa! Heisa! Auf, auf! Weiter, sag ich! Sputet euch! Ich will euch …« Dann das Geräusch eines erneuten Hustenanfalls. Dieses Husten gefiel ihr nicht. Nein, ganz und gar nicht.
    Als sie jetzt Bewegung zwischen den Bäumen erkennen konnte, appellierte sie an Detta Walker, was sie nur sehr selten getan hatte, seit Roland sie gezwungen hatte, sich einzugestehen, dass in ihrem Körper noch eine zweite Persönlichkeit steckte.
    Ich brauche dich. Willst du’s wieder warm haben, sorg dafür, dass meine Hände ruhig sind, damit ich gut zielen und treffen kann.
    Das unaufhörliche Zittern ihres Körpers ließ schlagartig nach. Als das Hirschrudel unter den Bäumen hervorbrach – kein kleines Rudel; es musste aus mindestens achtzehn Tieren unter Führung eines kapitalen Hirschs mit prachtvollem Geweih bestehen –, waren auch ihre Hände wieder ganz ruhig. In ihrer Rechten hielt sie Rolands Revolver mit dem Sandelholzgriff.
    Dann tauchte Oy auf, der hinter der letzten Nachzüglerin aus dem Wäldchen gestürmt kam. Sie war eine Mutie-Hirschkuh, die auf vier ungleich langen Beinen lief (das aber unheimlich graziös), während ein nutzloses fünftes Bein wie ein Euter mitten unter ihrem Bauch baumelte. Ganz zuletzt kam Roland, der eigentlich nicht richtig rannte, sondern lediglich in einem angestrengten Trab vorwärts stolperte. Susannah beachtete ihn nicht weiter und behielt den Hirsch im Visier ihres Revolvers, während der kapitale Bursche quer durch ihr Schussfeld lief.
    »Hierher«, flüsterte sie. »Mach einen Haken nach rechts, Schätzchen, zeig mir, dass du’s kannst. Commala-come-come.«
    Und obwohl der Hirsch an der Spitze des Rudels eigentlich keinen Grund dafür hatte, hielt er nun tatsächlich etwas mehr auf Susannah zu. Jetzt war sie von jener Art Kälte erfüllt, die ihr willkommen war. Ihr Sehvermögen schien unnatürlich scharf zu werden, bis sie die unter der Decke des Hirschs spielenden Muskeln, den weißen Halbmond, als sein Auge rollte, die alte Verletzung am Vorderlauf der nächsten Hirschkuh, wo das Fell nie mehr richtig nachgewachsen war, sehen konnte. Sie hatte einen Augenblick Zeit, sich zu wünschen, Eddie und Jake lägen jetzt neben ihr, fühlten, was sie fühlte, sähen, was sie sah, aber dann war auch das vorüber.
    Ich töte nicht mit meiner Waffe; wer mit seiner Waffe tötet, hat das Angesicht seines Waters vergessen.
    »Ich töte mit dem Herzen«, murmelte sie und schoss dann.
    Die erste Kugel traf den vorweg laufenden Hirsch zwischen die Lichter, worauf er nach links stürzend zusammenbrach. Die anderen Tiere liefen an ihm vorbei. Eine Hirschkuh sprang über ihn hinweg,

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