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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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über den Kopf zu ziehen, belastete dabei versehentlich sein schlimmes Bein, stieß ein leises Knurren aus und fiel beinahe hin. Wäre hingefallen, wenn Roland ihn nicht gestützt hätte.
    »Dank euch, dank euch, dank euch«, sagte Joe. »Muss euch allerdings sagen, dass das nich das erste Mal gewesen wär, dass ich mit der Nase auf dem Lernoleum lande! Aber da Sie mich diesmal davor bewahrt haben, will ich Ihre Frage zuerst beantworten. Als Odd Joe von der Odd’s Lane lebe ich seit etwa siebzehn Jahren hier. Dass ich’s euch nich haargenau sagen kann, kommt nur daher, dass die Zeit eine Weile gottverdammt komisch war, wenn ihr wisst, was ich meine.«
    »Das tun wir«, sagte Susannah. »Glauben Sie mir, das tun wir.«
    Collins zog jetzt seinen Pullover aus, und darunter kam ein weiterer zum Vorschein. Susannah hatte ihn auf den ersten Blick für einen stämmigen, fast dicken alten Mann gehalten. Jetzt sah sie, dass der größte Teil dessen, was sie für Leibesfülle gehalten hatte, nur Auspolsterung gewesen war. Er war zwar keineswegs so zaundürr wie sein altes Pferd, aber weit davon entfernt, stämmig zu sein.
    »Was Stotter-Bill angeht«, fuhr der Alte fort, indem er den zweiten Pullover auszog, »das ist ein Roboter. Putzt mir das Haus und sorgt dafür, dass der Generator läuft … und räumt natürlich Schnee. Als ich hergekommen bin, hat er nur manchmal gestottert; jetzt tut er’s bei jedem zweiten oder dritten Wort. Was ich machen werd, wenn er mal irgendwann stehen bleibt, weiß ich nich.« Susannah fand, dass das einzigartig unbesorgt klang.
    »Vielleicht wird es ihm auch bald besser gehen, wo doch der Balken jetzt wieder in Ordnung ist«, sagte sie.
    »Vielleicht hält er dadurch ein bisschen länger, aber ich hab da verdammt starke Zweifel, dass es mit ihm je besser wird«, sagte Joe. »Maschinen werden nicht wieder gesund, so wie das Lebewesen tun.« Er war bei seinem Thermo-Unterhemd angelangt, und hier hörte der Striptease auch auf. Susannah war erleichtert. Der Anblick der irgendwie grässlichen Trommel aus Pferderippen, so dicht unter dem kurzen grauen Fell, hatte ihr gereicht. Sie hatte nicht den Wunsch, auch noch die von Lippys Herrn zu sehen.
    »Runter mit euren Mänteln und euren Leggings«, sagte Joe. »Gleich gibt’s Eierlikör oder was ihr sonst mögt, aber erst will ich euch noch mein Wohnzimmer zeigen. Es ist nämlich mein ganzer Stolz, das ist es.«
     
     

6
     
    Auf dem Flickenteppich, der den Fußboden im Wohnzimmer bedeckte und auch in Großmutter Holmes’ Haus gepasst hätte, stand ein La-Z-Boy-Liegesessel neben einem Couchtisch. Auf der Tischplatte türmten sich Zeitschriften und Taschenbücher neben einer Lesebrille und einer kleinen braunen Flasche, die wohl irgendeine Medizin enthielt. In einem Regal stand ein Fernseher, auch wenn Susannah sich nicht vorstellen konnte, welchen Sender der alte Joe damit hereinbekommen wollte (Eddie und Jake hätten natürlich den Videorecorder auf dem Brett darunter erkannt). Was Susannah jedoch faszinierte – und Roland natürlich erst recht –, war das Foto an einer der Wände. Es war dort leicht schief mit Reißzwecken befestigt worden: auf eine nachlässige Weise, die (wenigstens Susannah) wie ein Sakrileg erschien.
    Ein Foto des Dunklen Turms.
    Ihr stockte der Atem. Sie hoppelte darauf zu, wobei sie die Knoten und Wülste des Flickenteppichs unter ihren Händen kaum mitbekam, und hob dann die Arme. »Roland, heb mich hoch!«
    Als er das tat, sah sie, dass sein hageres Gesicht bis auf die beiden hektisch roten Flecken auf den Wangenknochen leichenblass geworden war. Seine Augen funkelten. Der Turm erhob sich vor einem Abendhimmel, und die untergehende Sonne strahlte die Hügel hinter ihm orangerot an, beleuchtete die endlos aufsteigende Fensterspirale. Aus einigen dieser Fenster drang ein trübes, schauerliches Glimmen. Sie konnte Balkone sehen, die in jedem zweiten oder dritten Stock aus dem dunklen Mauerwerk ragten, und auf sie hinausführende massive Türen, die aber alle geschlossen waren. Sicher auch abgesperrt, daran zweifelte sie nicht. Vor dem Turm lag das Rosenfeld Can’-Ka No Rey – düster, aber auch im Schatten lieblich anzusehen. Die meisten Rosen hatten sich bei herabsinkender Dunkelheit geschlossen, aber einige wenige leuchteten noch wie schläfrige Augen hervor.
    »Joe!«, sagte sie. Ihre Stimme war kaum lauter als ein Flüstern. Sie fühlte sich matt und glaubte, singende Stimmen zu hören, fern und schwach. »Oh,

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