Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
gesehen hatte. Oy flog in hohem Bogen durch die Funken sprühende Dunkelheit und wurde von einem der dürren Aststümpfe aufgespießt, wo Roland selbst die Äste abgebrochen hatte, um Feuerholz zu bekommen. Er stieß einen grausigen Schmerzensschrei – einen Todesschrei – aus und hing dann schlaff aufgespießt über Patricks Kopf.
    Mordred stürzte sich sofort auf Roland, aber sein Ansturm war nur ein langsames, schwerfälliges Schlurfen; eines seiner Beine war ihm kurz nach der Geburt weggeschossen worden, und jetzt hing ein weiteres, dessen Zangen sich krampfhaft öffneten und schlossen, während es durchs Gras schleifte, schlaff und gebrochen herab. Rolands Auge war nie klarer gewesen, die kalte Ruhe, die ihn in solchen Augenblicken umgab, nie eisiger. Er sah den kleinen weißen Höcker und die blauen Kanoniersaugen, die seine Augen waren. Er sah das Gesicht seines einzigen Sohns, das ihn über den Rücken des Ungeheuers hinweg anspähte, und dann verschwand es in einem Nebel aus Blut, als seine erste Kugel es wegfetzte. Die Spinne richtete sich auf und krallte mit den Vorderbeinen in den schwarzen, mit Sternen gesprenkelten Nachthimmel. Die beiden nächsten Kugeln Rolands durchschlugen den ungeschützten Bauch, traten auf dem Rücken wieder aus und zogen dabei dunkle Blutstrahlen hinter sich her. Die Spinne warf sich zur Seite, wollte vielleicht flüchten, aber ihre restlichen Beine trugen sie nicht mehr. Mordred Deschain fiel ins Feuer und wirbelte dabei einen Schauer aus roten und orangeroten Funken auf. Während er sich im Feuer krümmte, begannen die Stacheln an seinem Unterleib zu brennen, und Roland durchlöcherte ihn noch einmal – mit einem bitteren Lächeln. Die verendende Spinne wälzte sich aus der jetzt breit verteilten Glut auf den Rücken; dabei bildeten ihre restlichen Beine zunächst einen Knoten, der anschließend langsam auseinander sank. Eines der Beine fiel in die Flammen zurück und fing Feuer. Der Gestank war abscheulich.
    Als Roland sich in Bewegung setzte, um die von der verstreuten Glut hervorgerufenen kleinen Brände auszutreten, brach in seinem Kopf das Wutgeheul eines Wahnsinnigen los.
    Mein Sohn! Mein einziger Sohn! Du hast ihn ermordet!
    »Er war auch meiner«, sagte Roland und betrachtete dabei die rauchende Missgeburt. Er konnte sich die Wahrheit eingestehen. Ja, wenigstens das konnte er.
    Dann komm also! Komm, Sohnesmörder, und betrachte deinen Turm, aber wisse eines: Du wirst am Rand des Can’-Ka vor Altersschwäche sterben, bevor du auch nur seine Tür berührst! Ich werde dich niemals passieren lassen! Selbst der Flitzerraum würde vergehen, bevor ich dich passieren lasse! Mörder! Mörder deiner Mutter, Mörder deiner Freunde – aye, und zwar jedes, liegt Susannah doch mit durchschnittener Kehle tot auf der anderen Seite der Tür, durch die du sie geschickt hast – und nun auch noch Mörder des eigenen Sohns!
    »Wer hat ihn auf mich gehetzt?«, fragte Roland die Stimme in seinem Kopf. »Wer hat dieses Kind – nichts anderes ist Mordred unter seiner schwarzen Haut nämlich – in den Tod geschickt, du roter Schurke?«
    Darauf kam keine Antwort, also steckte Roland die Waffe ins Holster zurück und trat die Glutnester endgültig aus, bevor das Feuer um sich greifen konnte. Er ließ sich durch den Kopf gehen, was die Stimme von Susannah behauptet hatte, und gelangte zu dem Schluss, dass dem kein Glauben zu schenken war. Sie mochte tot sein, aye, es war immerhin möglich, aber Roland vermutete, dass Mordreds roter Vater das nicht besser als er selbst wusste.
    Der Revolvermann ließ diesen Gedanken fallen und ging zu dem Baum, an dem der letzte seines Ka-Tet hing, aufgespießt … aber noch lebend. Die goldgeränderten Augen betrachteten Roland mit einem Ausdruck, der beinahe müde amüsiert wirkte.
    »Oy«, sagte Roland und streckte eine Hand aus; er wusste, dass er riskierte, gebissen zu werden, scherte sich aber nicht darum. Vermutlich wünschte sich ein Teil seines Ichs sogar – und bestimmt kein kleiner Teil –, tatsächlich gebissen zu werden. »Oy, wir sagen dir alle unseren Dank. Ich sage dir meinen Dank, Oy.«
    Der Bumbler biss nicht und sprach auch nur noch ein einziges Wort. »Olan«, sagte er. Dann seufzte er, leckte kurz die Hand des Revolvermanns, ließ den Kopf hängen und verendete.
     
     

11
     
    Als das erste Tageslicht in einen wolkenlosen Morgen überging, näherte Patrick sich zögernd der Stelle, wo der Revolvermann inmitten der Rosen in dem

Weitere Kostenlose Bücher