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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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unter den Arm geklemmt trägt und der ihn wie einen Kunststudenten aus früheren Tagen aussehen lässt – geht neben ihm her. Sie marschieren einen langen, sanft ansteigenden Hügel hinauf, der sich nicht sonderlich von hunderten von anderen unterscheidet, die sie schon erstiegen haben. Die überwachsene Straße, der sie folgen, wird auf beiden Seiten von den Überresten von Steinmauern gesäumt; zwischen den Haufen aus Natursteinen, wo Mauerteile eingestürzt sind, wachsen in reizendem Überfluss wilde Rosen. In dem offenen, mit Buschwerk gesprenkelten Land jenseits dieser eingestürzten Mauern stehen eigentümliche Steinbauten. Manche sehen wie Schlossruinen aus; andere erinnern an ägyptische Obelisken; einige wenige sind offensichtlich Sprechende Ringe von der Art, in denen sich Dämonen beschwören lassen; eine der uralten Ruinen sieht mit ihren Steinsäulen und Säulenplatten sogar wie Stonehenge aus. Man erwartet fast, im Mittelpunkt dieses großen Kreises Druiden zu sehen, die möglicherweise dabei sind, irgendwelche Runen zu deuten, aber die Hüter dieser Monumente, jener Vorgänger des Großen Monuments, sind längst nicht mehr. Wo sie einst gebetet haben, weiden nur noch kleine Bannockherden.
    Kümmert euch nicht darum. Gegen Ende unserer langen Reise sind wir nicht hier, um alte Ruinen zu betrachten, sondern den alten Revolvermann, wie er den Karren zieht. Wir stehen auf dem Kamm des Hügels und warten, während er auf uns zukommt. Er kommt. Und kommt. Unerbittlich wie immer, ein Mann, der stets die Sprache des Landes lernt (zumindest in Grundzügen), das er bereist, und dessen Gebräuche achtet; er ist noch immer ein Mann, der in fremden Hotelzimmern Bilder gerade rücken würde. Viel an ihm hat sich verändert, aber das nicht. Als er jetzt den Hügelkamm erreicht, ist er uns so nahe, dass wir den sauren Geruch seines Schweißes riechen können. Er sieht auf: ein kurzer, unwillkürlicher Blick nach vorn, dann nach rechts und links, sobald er irgendeinen Hügel überschreitet – Immer schön das Gelände vor euch beurteilen, so lautete Corts Merksatz, und der letzte seiner Schüler beherzigt ihn noch heute. Er blickt ohne sonderliches Interesse auf, sieht nach unten … und bleibt stehen. Nachdem er einen Augenblick lang den rissigen, mit Unkraut überwachsenen Straßenbelag angestarrt hat, hebt er den Kopf wieder, diesmal langsamer. Sehr viel langsamer. So als fürchtete er sich davor, was er gesehen zu haben glaubt.
    Und hier müssen wir uns mit ihm vereinigen – in ihn hineinsinken –, obwohl die Schilderung, wie wir in einem solchen Augenblick, in dem endlich das unbeirrbar verfolgte Ziel seines Lebens in Sicht kommt, das Gelände von Rolands Herzen beurteilen können sollen, über die dürftigen erzählerischen Mittel dieses Wörterschmieds hinausgeht. Manche Augenblicke übersteigen alle Phantasie.
     
     

2
     
    Roland blickte rasch auf, als er den Hügelkamm überschritt, nicht weil er Schwierigkeiten erwartete, sondern weil diese Gewohnheit zu tief saß, als dass er mit ihr hätte brechen können. Immer das Gelände vor euch beurteilen, hatte Cort ihnen gepredigt, ihnen schon eingebläut, als sie kaum mehr als Babies gewesen waren. Er sah wieder auf die Straße hinunter – es wurde immer schwieriger, sich zwischen den Rosen hindurchzuschlängeln, ohne welche zu zertrampeln, obwohl ihm das bisher gelungen war – und registrierte erst verspätet, was er gerade gesehen hatte.
    Was du zu sehen geglaubt hast, verbesserte Roland sich, während er weiter auf die Straße blickte. Wahrscheinlich nur eine weitere dieser seltsamen Ruinen, an denen wir vorbeigekommen sind, seit wir wieder unterwegs sind.
    Aber selbst Roland wusste, dass das nicht stimmte. Was er gesehen hatte, stand nicht rechts oder links der Tower Road, sondern genau geradeaus.
    Er hob wieder den Kopf, hörte seine Halswirbel wie alte Türangeln knarren und sah, noch meilenweit entfernt, aber jetzt bereits am Horizont sichtbar – so wirklich wie die Rosen –, die Spitze des Dunklen Turms. Was er in tausend Träumen gesehen hatte, erblickte er jetzt mit eigenen Augen. Etwa hundert Schritte vor ihm führte die Straße einen höheren Hügel hinauf, auf dem links der Straße ein uralter Sprechender Ring zwischen Geißblatt und Efeu verwitterte, während rechts ein Wäldchen aus Eisenholzbäumen stand. In der Mitte dieses beengten Horizonts ragte in mittlerer Entfernung ein schwarzes Gebilde auf, das einen winzigen Teil des blauen

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