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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Westen, aber der Stern, angesichts dessen sie sich gestern abend etwas gewünscht hatten, war noch nicht wieder zum Vorschein gekommen, obwohl ihre Schatten lang geworden waren.
    »Kann ich noch etwas tun, Odetta?« Er verspürte den Drang zu verzögern und zu verzögern. Er glaubte, das würde vorbeigehen, wenn er tatsächlich auf dem Rückweg war, aber momentan war der Drang, jede Ausrede zu nützen, sehr stark.
    »Ein Kuß. Das würde mir gefallen, wenn es dir nichts ausmacht.«
    Er küßte sie lange, und als ihre Lippen sich nicht mehr berührten, ergriff sie sein Handgelenk und sah ihn durchdringend an. »Vor gestern nacht habe ich noch nie mit einem weißen Mann geschlafen«, sagte sie. »Ich weiß nicht, ob das wichtig für dich ist oder nicht. Ich weiß nicht einmal, ob es für mich wichtig ist. Aber ich dachte, du solltest es wissen.«
    Er überlegte.
    »Für mich nicht«, sagte er. »Ich glaube, wir waren im Dunkeln beide grau. Ich liebe dich, Odetta.«
    Sie legte eine Hand auf seine.
    »Du bist ein lieber junger Mann, und vielleicht liebe ich dich auch, aber ich finde, es ist zu früh für uns beide…«
    In diesem Augenblick knurrte, wie auf ein Stichwort hin, eine Wildkatze in den Bergen oben. Es hörte sich immer noch an, als wäre sie vier oder fünf Meilen entfernt, aber das war trotzdem vier oder fünf Meilen näher als beim letztenmal, und sie hörte sich groß an.
    Sie drehten die Köpfe in Richtung des Geräuschs. Eddie spürte, wie sich seine Nackenhaare aufrichten wollten. Sie schafften es nicht ganz. Tut mir leid, Härchen, dachte er albern. Ich schätze, meine Haare sind einfach ein bißchen zu lang geworden.
    Das Knurren wurde zu einem gequälten Schrei, der sich wie der Schrei von etwas anhörte, das einen schrecklichen Tod starb (tatsächlich hätte er aber auch nichts weiter als eine erfolgreiche Paarung bedeuten können). Er hielt einen Augenblick beinahe unerträglich an, dann ließ er nach, wurde immer tiefer und tiefer, bis er verstummt oder unter dem unablässigen Heulen des Windes begraben war. Sie warteten darauf, daß er noch einmal ertönen würde, aber der Schrei wurde nicht wiederholt. Was Eddie anbetraf, so spielte das keine Rolle. Er zog noch einmal den Revolver aus dem Saum und hielt ihn ihr hin.
    »Nimm ihn und widersprich nicht. Wenn du ihn tatsächlich brauchen solltest, wird er keinen Scheißdreck funktionieren – das ist bei solchen Sachen immer so –, aber nimm ihn trotzdem.«
    »Suchst du Streit?«
    »Oh, du kannst streiten. Du kannst streiten, soviel du willst.«
    Nach einem nachdenklichen Blick in Eddies fast mandelbraune Augen lächelte sie ergeben. »Ich glaube, ich werde nicht streiten.« Sie nahm den Revolver. »Bitte mach so schnell du kannst.«
    »Das werde ich.« Er küßte sie noch einmal, diesmal eiliger, und hätte ihr beinahe gesagt, sie solle vorsichtig sein… aber wie vorsichtig konnte sie in der Situation sein, in der sie war?
    Er suchte sich in den dunkler werdenden Schatten einen Weg den Hang hinunter (die Monsterhummer waren noch nicht herausgekommen, aber sie würden bald ihren nächtlichen Auftritt haben) und betrachtete noch einmal die Worte auf der Tür. Dieselbe Gänsehaut überlief ihn. Sie waren passend, diese Worte. Großer Gott, sie waren so passend. Dann sah er wieder den Hang empor. Einen Augenblick konnte er sie nicht erkennen, und dann sah er, wie sich etwas bewegte. Die hellere Seite einer Handfläche. Sie winkte.
    Er winkte zurück, dann drehte er den Rollstuhl herum und fing an zu laufen, wobei er ihn gekippt hielt, so daß die kleineren Vorderräder den Boden nicht berührten. Er lief nach Süden, zurück in die Richtung, aus der er gekommen war. In der ersten halben Stunde lief sein Schatten mit ihm, der unpassende Schatten eines hageren Giganten, der an seinen Turnschuhen befestigt war und sich lange Meter nach Osten erstreckte. Dann ging die Sonne unter, sein Schatten war verschwunden und die Monsterhummer kamen aus den Wellen gekrochen.
    Etwa zehn Minuten nachdem er ihre ersten summenden Rufe gehört hatte, sah er auf und erblickte den Abendstern, der ruhig am dunkelblauen Samt des Himmels leuchtete.
    Heavenly shades of night are falling… it’s twilight time…
    Laß sie in Sicherheit sein. Seine Beine schmerzten bereits, sein Atem war zu heiß und schwer in den Lungen, und es lag immer noch eine dritte Reise vor ihm, die mit dem Revolvermann als Passagier, und obwohl er wußte, daß der Revolvermann mindestens hundert

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