Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
was?«
    »Ja!«
    »Nun, dann laß uns gehen!«
    Eddie fing wieder an zu schieben.
     
     

8
     
    Eine halbe Stunde später sah er sie auch. Herrgott, dachte er, ihre Augen sind so gut wie die von Roland. Vielleicht sogar besser.
    Sie wollten beide mittags keine Rast machen, aber sie mußten etwas essen. Sie nahmen eine hastige Mahlzeit ein und eilten dann weiter. Die Flut kam, und Eddie sah mit wachsendem Unbehagen nach rechts – nach Westen. Sie befanden sich immer noch ein gutes Stück oberhalb der ungleichmäßigen Linie von Tang und Schlick, die die Flutgrenze markierte, aber er glaubte, wenn sie die Tür erreicht hatten, würden sie in einem ungemütlich spitzen Winkel zwischen dem Meer auf einer Seite und den Bergen auf der anderen sein. Diese Berge konnte er jetzt sehr deutlich sehen. Ihr Anblick hatte nichts Angenehmes an sich. Sie waren felsig und von niederen Bäumen bewachsen, die ihre Wurzeln wie arthritische Finger in den Boden gruben und sich grimmig festhielten, und von dornigem Gestrüpp. Steil waren sie eigentlich nicht, aber zu steil für einen Rollstuhl. Er konnte sie ein Stück hinauftragen, was er vielleicht sogar tun mußte, aber der Gedanke gefiel ihm nicht, sie dort alleine zu lassen.
    Er hörte zum erstenmal Insekten. Das Geräusch ähnelte dem von Grillen ein wenig, war aber höher und wies keinerlei Schwankungen auf – es war einfach ein stetes, monotones Riiiiiii, wie von Hochspannungskabeln. Und er sah zum erstenmal andere Vögel als Möwen. Einige waren groß und kreisten mit starren Schwingen. Falken, dachte er. Von Zeit zu Zeit sah er sie die Schwingen einklappen und wie Steine in die Tiefe stoßen. Sie jagten. Jagten was? Nun, kleine Tiere. Das machte nichts.
    Aber er mußte an das Heulen denken, das er in der Nacht gehört hatte.
    Am frühen Nachmittag konnten sie die dritte Tür deutlich sehen. Sie war, wie die beiden anderen, etwas Unmögliches, das dennoch unverrückbar wie ein Pfosten dastand.
    »Erstaunlich«, hörte er sie leise sagen. »Wie vollkommen erstaunlich.«
    Sie war genau dort, wo er sie zu vermuten begonnen hatte, in dem Winkel, der das Ende der mühevollen Reise nach Norden bedeutete. Sie stand unmittelbar oberhalb der Flutlinie und weniger als neun Meter von der Stelle entfernt, wo die Berge plötzlich wie eine gigantische Hand aus dem Boden ragten, die mit graugrünem Gestrüpp anstelle von Haaren überzogen war.
    Während sich die Sonne dem Wasser näherte, erreichte die Flut ihren Höchststand, und schätzungsweise gegen vier Uhr – das sagte Odetta, und da sie gesagt hatte, sie könne die Sonne gut lesen (und weil sie seine Liebste war), glaubte Eddie ihr – erreichten sie die Tür.
     
     

9
     
    Sie sahen sie einfach an, Odetta im Stuhl, die Hände im Schoß gefaltet, Eddie auf der Meerseite. In gewisser Weise sahen sie sie an, wie sie in der vergangenen Nacht den Abendstern betrachtet hatten – was heißen soll, wie Kinder etwas betrachten –, aber in anderer Hinsicht sahen sie sie anders an. Als sie sich beim Anblick des Sterns etwas gewünscht hatten, waren sie Kinder der Freude gewesen. Jetzt waren sie ernst, wie Kinder, die die deutliche Verkörperung von etwas sehen, das eigentlich in ein Märchen gehört.
    Zwei Worte standen auf dieser Tür.
    »Was bedeutet das?« fragte Odetta schließlich.
    »Ich weiß nicht«, sagte Eddie, aber diese Worte erfüllten ihn mit hoffnungsloser Kälte; er spürte, wie sich eine Finsternis über sein Herz schob.
    »Nicht?« sagte sie und betrachtete ihn eingehender.
    »Nein. Ich…« Er schluckte. »Nein.«
    Sie sah ihn noch einen Augenblick an. »Schieb mich bitte dahinter. Ich würde das gerne sehen. Ich weiß, du willst zu ihm zurück, aber würdest du es dennoch für mich tun?«
    Er tat es.
    Sie gingen an der höheren Seite der Tür herum.
    »Warte!« rief sie. »Hast du das gesehen?«
    »Was?«
    »Geh zurück! Sieh hin. Paß auf!«
    Diesmal achtete er auf die Tür und nicht auf eventuelle Hindernisse vor ihnen. Als sie daran vorbeigingen sah er, wie sie perspektivisch schmäler wurde, sah die Scharniere, die an nichts befestigt zu sein schienen, sah ihre Stärke.
    Dann war sie verschwunden.
    Die Stärke der Tür war verschwunden.
    Der Blick auf das Wasser hätte von sechs, möglicherweise sogar acht Zentimeter massivem Holz unterbrochen sein sollen (die Tür sah außergewöhnlich stabil aus), aber diese Unterbrechung war nicht da.
    Die Tür war verschwunden.
    Der Schatten war da, aber die Tür war weg.
    Er

Weitere Kostenlose Bücher