Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
Fremden benützt wird. Habt ihr verstanden?«
Susannah nickte. Eddie schien gar nicht zuzuhören. Er hatte das Stück Leder, in das der Schlüssel eingewickelt war, ins Hemd gesteckt und sah nun wie hypnotisiert in den Ring aus Steinen.
»Es ist keine Zeit, dies auf eine behutsame oder schönfärberische Weise auszudrücken«, sagte Roland zu ihr. »Einer von uns wird…«
»Einer von uns muß es ficken, damit es Eddie in Ruhe läßt«, unterbrach ihn Susannah. »Diese Wesen können nie auf einen Gratisfick verzichten. Darauf willst du doch hinaus, richtig?«
Roland nickte.
»Und was ist, wenn der Dämon auf beides steht? Was dann, großer Junge?«
Rolands Lippen zuckten – die vageste Andeutung eines Lächelns. »Dann nehmen wir ihn gemeinsam. Vergiß nur nicht…«
Neben ihnen flüsterte Eddie mit schwacher, hohler Stimme: »Nicht alles ist stumm in den Hallen der Toten. Gebt acht, der Schläfer erwacht.« Er richtete die gequälten, entsetzten Augen auf Roland. »Da ist ein Ungeheuer.«
»Der Dämon…«
»Nein. Ein Ungeheuer. Etwas zwischen den Türen. Zwischen den Welten. Es wartet. Und es schlägt die Augen auf.«
Susannah warf Roland einen ängstlichen Blick zu.
»Sei standhaft, Eddie«, sagte Roland. »Sei aufrichtig.«
Eddie holte tief Luft. »Ich bin standhaft, bis es mich umstößt«, sagte er. »Ich muß jetzt reingehen. Es fängt an.«
»Wir gehen alle rein«, sagte Susannah. Sie krümmte den Rücken und schlüpfte aus dem Rollstuhl. »‘n Dämon, der mit mir ficken will, wird feststelln, dasser sich mit ‘ner Fickweltmeisterin eingelassen hat. Ich werd’m ‘n Fick verpassen, den er seiner Lebtag nicht vergißt.«
Als sie zwischen den hohen Steinen hindurch in den Kreis traten, fing es an zu regnen.
24
Kaum sah Jake das Haus, wurde ihm zweierlei klar: erstens, daß er es schon einmal gesehen hatte, und zwar in so schrecklichen Träumen, daß sein bewußtes Denken keinerlei Erinnerungen daran zuließ; zweitens, daß es ein Ort von Tod und Mord und Wahnsinn war. Er stand an der gegenüberliegenden Ecke Rhinehold Street und Brooklyn Avenue, siebzig Meter von Henry und Eddie Dean entfernt, aber selbst da konnte er spüren, daß die Villa den beiden gar keine Beachtung schenkte, sondern mit begierigen, unsichtbaren Händen nach ihm griff. Er dachte, daß sich Krallen am Ende dieser Hände befanden. Scharfe Krallen.
Es will mich, und ich kann nicht weglaufen. Hineinzugehen bedeutet den Tod… aber es nicht zu tun, bedeutet Wahnsinn. Denn irgendwo in diesem Haus befindet sich eine verschlossene Tür. Ich habe den Schlüssel, der sie öffnet, und die einzige Hoffnung auf Rettung befindet sich auf der anderen Seite.
Er betrachtete die Villa, ein Haus, das fast ›abnormal‹ schrie, mit zunehmender Niedergeschlagenheit. Es stand inmitten eines unkrautüberwachsenen, ungepflegten Gartens wie ein Tumor.
Die Brüder Dean waren unter der heißen Nachmittagssonne langsam neun Blocks durch Brooklyn gelaufen und waren schließlich in einen Stadtteil gekommen, bei dem es sich um Dutch Hill handeln mußte, wenn man den Namen der Geschäfte glauben wollte. Jetzt standen sie einen halben Block entfernt vor der Villa. Diese sah aus, als wäre sie jahrelang verlassen, und doch hatte sie bemerkenswert wenig Zerstörungen hinnehmen müssen. Und früher, dachte Jake, war es wirklich einmal eine Villa gewesen – möglicherweise das Zuhause eines reichen Kaufmanns und seiner Familie. In diesen längst vergangenen Zeiten mußte sie weiß gewesen sein, aber jetzt war ihre Farbe ein schmutziges Grau. Die Fenster waren eingeworfen und der weiße Lattenzaun, der sie umgab, mit Sprühfarbe verunziert, aber das Haus selbst war unversehrt.
Es kauerte im heißen Licht, eine baufällige Wohnstatt mit Schindeldach, die aus einem hügeligen, abfallübersäten Garten wuchs und auf Jake irgendwie den Eindruck eines gefährlichen Hundes machte, der nur so tat, als ob er schlief. Das steile Dach hing wie eine gerunzelte Stirn über die Eingangstür. Die Dielen der Veranda waren gesplittert und verzogen. Läden, die einmal grün gewesen sein mochten, knarrten in schiefen Angeln neben blicklosen Fenstern; in manchen hingen noch uralte Vorhänge, die wie Streifen abgestorbener Haut herunterbaumelten. Links beugte sich ein altes Rankgitter von der Fassade weg, das nicht mehr von Nägeln gehalten wurde, sondern nur noch von den namenlosen und irgendwie schäbigen Weinranken, die sich daran festklammerten. Auf dem
Weitere Kostenlose Bücher