Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
studieren, als Eddie so dicht vorbeistrich, daß Jake den Schweiß riechen konnte, den er bei dem Basketballspiel produziert hatte. Er spürte den neugierigen Blick halb, den der Junge ihm zuwarf, halb sah er ihn. Dann ging Eddie durch die Halle zu den Fahrstühlen; er trug die zusammengerollte Schulhose unter einem und den Basketball unter dem anderen Arm.
Jakes Herz schlug heftig in der Brust. Leute zu beschatten war im richtigen Leben viel schwieriger als in den Detektivromanen, die er manchmal las. Er überquerte die Straße und stellte sich einen halben Block weiter zwischen zwei Mietshäuser. Von dort konnte er den Eingang des Hauses der Brüder Dean und das Spielplatztor sehen. Der Spielplatz füllte sich allmählich, hauptsächlich mit kleineren Kindern. Henry lehnte am Maschendrahtzaun, rauchte eine Zigarette und gab sich größte Mühe, wie ein halbstarker Schläger auszusehen. Ab und zu streckte er den Fuß aus, wenn eines der Kinder in wilder Jagd auf ihn zugerannt kam, und bis Eddie zurückkam, war es ihm gelungen, drei zu Fall zu bringen. Das letzte schlug in voller Länge hin, prallte mit dem Gesicht auf den Beton und rannte mit blutiger Stirn weinend die Straße entlang. Henry schnippte ihm die Zigarettenkippe hinterher und lachte fröhlich.
Ein richtiger Scherzkeks, dachte Jake.
Danach wurden die kleinen Kinder schlauer und machten einen großen Bogen um ihn. Henry verließ den Spielplatz schlendernd und ging zu dem Hauseingang, in dem Eddie vor fünf Minuten verschwunden war. Als er dort ankam, ging die Tür auf, und Eddie kam heraus. Er hatte ein Paar Jeans und ein frisches T-Shirt angezogen; außerdem trug er ein grünes Band, wie Jake es im Traum gesehen hatte, um die Stirn. Er winkte triumphierend mit ein paar Dollarscheinen. Henry entriß sie ihm, dann fragte er Eddie etwas. Eddie nickte, worauf die beiden Jungs aufbrachen.
Jake folgte ihnen, ließ dabei einen halben Block Entfernung zwischen sich und den beiden Brüdern.
23
Sie standen im hohen Gras am Rand der Großen Straße und betrachteten den sprechenden Ring.
Stonehenge, dachte Susannah und erschauerte. So sieht es aus. Stonehenge.
Das dichte Gras, welches die gesamte Ebene bedeckte, wuchs zwar um die Ansätze der grauen Monolithen herum, aber der Kreis, den sie einschlossen, bestand aus nackter Erde, auf der hier und da weiße Gegenstände lagen.
»Was ist das?« fragte sie mit leiser Stimme. »Gesteinstrümmer?«
»Sieh noch einmal hin«, sagte Roland.
Sie gehorchte und sah, daß es sich um Knochen handelte. Die Knochen kleiner Tiere. Hoffte sie.
Eddie nahm den zugespitzten Pflock in die linke Hand, wischte die rechte am Hemd trocken und wechselte wieder. Er machte den Mund auf, aber kein Laut drang aus seinem trockenen Hals. Er räusperte sich und versuchte es noch einmal. »Ich glaube, ich muß reingehen und etwas auf den Boden zeichnen.«
Roland nickte. »Gleich?«
»Bald.« Er sah Roland ins Gesicht. »Es ist etwas hier, richtig? Etwas, das wir nicht sehen können.«
»Es ist momentan nicht hier«, sagte Roland. »Jedenfalls glaube ich das. Aber es wird kommen. Unsere Khef – unsere Lebenskraft – wird es anziehen. Und natürlich wird es diesen Ort eifersüchtig hüten. Gib mir meine Waffe wieder, Eddie.«
Eddie knöpfte den Gurt auf und reichte ihn weiter. Dann drehte er sich wieder zu dem Kreis der sechs Meter hohen Steine um. Etwas lebte tatsächlich hier. Er konnte es riechen; ein Gestank, bei dem er an feuchten Verputz und schimmlige Sofas und alte Matratzen denken mußte, die unter Überzügen aus Mehltau faulten. Er kannte ihn, diesen Geruch.
Die Villa – dort habe ich ihn gerochen. An dem Tag, als ich Henry überredet hatte, mit mir zur Villa an der Rhinehold Street in Dutch Hill zu gehen.
Roland knöpfte den Gurt zu, dann knotete er den Wildlederriemen fest. Dabei sah er zu Susannah. »Könnte sein, daß wir Detta Walker brauchen«, sagte er. »Ist sie in der Nähe?«
»Das Miststück ist immer in der Nähe.« Susannah rümpfte die Nase.
»Gut. Einer von uns muß Eddie beschützen, während dieser tut, was er tun muß. Der andere wird nichts weiter als unnützer Ballast sein. Dies ist die Stätte eines Dämons. Dämonen sind nicht menschlich, aber dennoch männlich oder weiblich. Sex ist ihre Waffe und ihre Schwäche. Welchen Geschlechts der Dämon auch sein mag, er wird sich auf Eddie konzentrieren. Um seine Heimstatt zu beschützen. Um zu verhindern, daß seine Heimstatt von einem
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