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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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maßen mindestens drei Meter im Durchmesser, ihre Spitzen verloren sich im Halbdunkel. Oben in den Schatten konnte Eddie die gurrende Unterhaltung von Tauben hören.
    Nun schälte sich ein Schild an dicken verchromten Ketten aus der Düsternis:
     
     
    NORTH CENTRAL POSITRONICS HEISST SIE
    WILLKOMMEN IN DER KRIPPE VON LUD
    ‹– VERKEHR RICHTUNG NORDOST (BLAINE)
    VERKEHR RICHTUNG NORDWEST (PATRICIA) –›
     
     
    »Jetzt kennen wir den Namen von dem, der in den Fluß gefallen ist«, sagte Eddi. »Patricia. Aber sie haben die Farben verwechselt. Rosa soll doch für Mädchen und Blau für Buben sein, und nicht umgekehrt.«
    »Vielleicht sind sie beide blau.«
    »Nein. Blaine ist rosa.«
    »Woher weißt du das?«
    Eddie sah verwirrt drein. »Keine Ahnung… ich weiß es eben.«
    Sie folgten dem Pfeil, der zu Blaines Bahnsteig wies, und betraten einen großen Rundgang. Eddie verfügte nicht über Susannahs Gabe, die Vergangenheit in blitzartigen Eingebungen zu sehen, aber seine Fantasie bevölkerte diese weite, verlassene Halle dennoch mit tausend eiligen Menschen; er hörte Absätze klicken und Stimmen murmeln, sah Umarmungen zum Abschied und zur Begrüßung. Und über allem plärrte der Lautsprecher:
    Patricia abfahrbereit zu den Nordwestlichen Baronien…
    Passagier Killington, Passagier Killington, bitte melden Sie sich bei der Information im Untergeschoß!
    Blaine hat Einfahrt auf Gleis 2 und bricht in wenigen Minuten zur Weiterfahrt…
    Jetzt waren nur noch die Tauben da.
    Eddie erschauerte.
    »Sieh dir die Gesichter an«, murmelte Susannah. »Ich weiß nicht, ob dir dabei die Muffe geht, mir auf jeden Fall.« Sie deutete nach rechts. Hoch oben an der Wand schien sich eine Reihe gemeißelter Gesichter aus dem Marmor zu drängen und aus den Schatten auf sie herabzusehen – strenge Männer mit den grimmigen Gesichtern von Henkern, denen ihre Arbeit Spaß macht. Einige der Gesichter waren von ihren angestammten Plätzen heruntergefallen und lagen in Trümmern und Granitsplittern zwanzig oder fünfundzwanzig Meter unter ihren Genossen. Die verbliebenen waren von spinnwebgleichen Rissen überzogen und von Taubendreck verunziert.
    »Das muß das Hohe Gericht oder so was gewesen sein«, sagte Eddie und betrachtete unbehaglich die verkniffenen Lippen und leeren Augen. »Nur Richter können so überlegen und gleichzeitig so stinkesauer dreinblicken – du sprichst mit einem, der es weiß. Da ist nicht einer dabei, der einer Krüppel-Krabbe eine Krücke geben würde.«
    »›Gehäuf zerbrochner Bilder unter Sonnenbrand, der tote Baum gibt Obdach nicht‹«, murmelte Susannah, und bei diesen Worten spürte Eddie, wie ihm Gänsehaut über Arme, Brust und Beine tanzte.
    »Was ist das, Suze?«
    »Ein Gedicht von einem Mann, der Lud in seinen Träumen gesehen haben muß«, sagte sie. »Komm, Eddie. Vergiß sie.«
    »Leichter gesagt als getan.« Aber er schob sie weiter.
    Vor ihnen schälte sich eine breite Gitterbarriere wie eine Burgmauer aus dem Halbdunkel… und dahinter sahen sie zum erstenmal Blaine, den Mono. Er war rosa, genau wie Eddie es vorhergesagt hatte, eine zarte Farbe, die zu den Adern in den Marmorsäulen paßte. Blaine schwebte als glatte, stromlinienförmige Projektilgestalt über der breiten Ladeplattform und schien mehr aus Fleisch denn aus Metall zu sein. Die Oberfläche wurde nur einmal unterbrochen – von einem dreieckigen Fenster mit riesigem Wischer. Eddie wußte, auf der anderen Seite der Schnauze des Mono würde sich ein zweites dreieckiges Fenster mit Wischer befinden, so daß Blaine ein Gesicht haben würde, wenn man ihn von vorne betrachtete, genau wie Charlie Tschuff-Tschuff. Die Wischer würden wie listig gesenkte Lider aussehen.
    Weißes Licht von einer Öffnung im Südosten fiel als langgezogenes, verzerrtes Rechteck auf Blaine. Eddie fand, der Zug sah wie der Rücken eines legendären rosa Wals aus – der vollkommen stumm war.
    »Mann.« Seine Stimme war zu einem Flüstern geworden. »Wir haben ihn gefunden.«
    »Ja. Blaine, der Mono.«
    »Ist er tot, was meinst du? Er sieht tot aus.«
    »Nein. Er schläft vielleicht, aber tot ist er noch lange nicht.«
    »Sicher?«
    »Warst du sicher, daß er rosa sein würde?« Das war keine Frage, die er beantworten mußte, also ließ er es sein. Als sie sich zu ihm umdrehte, war ihr Gesicht nervös und sehr ängstlich. »Er schläft, und weißt du was? Ich habe Angst davor, ihn zu wecken.«
    »Nun, dann warten wir auf die anderen.«
    Sie schüttelte

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