Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
den Kopf. »Ich denke, wir sollten uns lieber auf ihre Ankunft vorbereiten… ich habe so eine Ahnung, als könnten sie auf der Flucht sein, wenn sie kommen. Schieb mich zu dem Kästchen an den Stangen. Scheint eine Sprechanlage zu sein. Siehst du es?«
Er sah es und schob sie langsam dorthin. Es befand sich an einer Seite eines verschlossenen Tors in der Mitte der Barriere, die sich durch die ganze Krippe zog. Die vertikalen Streben der Barriere sahen wie Edelstahl aus; die beim Tor schienen aus Schmiedeeisen zu bestehen, ihre unteren Enden verschwanden in stahlverkleideten Löchern im Boden. Eddie sah, daß es ihnen beiden unmöglich sein würde, sich zwischen diesen Streben durchzuzwängen. Die Lücken zwischen den Stangen waren nicht einmal zehn Zentimeter breit. Das wäre selbst für Oy eng geworden.
Über ihnen plusterten sich Tauben auf und gurrten. Der linke Reifen von Susannahs Rollstuhl quietschte monoton. Ein Königreich für ein Ölkännchen, dachte Eddie und stellte fest, daß er mehr als nur Angst hatte. Ein solches Ausmaß an Grauen hatte er zum letztenmal an dem Tag verspürt, als er und Henry auf dem Gehweg der Rhinehold Street in Dutch Hill gestanden und die Ruine der Villa betrachtet hatten. An jenem Tag im Jahr 1977 waren sie nicht hineingegangen; sie hatten dem Spukhaus den Rücken zugekehrt, und er wußte noch, er hatte sich geschworen, daß er nie, nie wieder dorthin gehen würde. Dieses Versprechen hatte er gehalten, aber jetzt befand er sich wieder in einem Spukhaus, und derjenige, der spukte, stand gleich da drüben – Blaine, der Mono, ein langer rosafarbener Schemen, mit einem Fenster, das ihn ansah wie das Auge eines gefährlichen Tiers, das nur so tut, als schliefe es.
Er wandert nicht mehr von seinem Bett in der Krippe… er hat sogar aufgehört, mit seinen vielen Zungen zu sprechen und zu lachen… Ardis war der letzte, der zu Blaine gegangen ist… und als Ardis nicht antworten konnte, hat Blaine ihn mit blauem Feuer niedergemetzelt.
Wenn er zu mir spricht, verliere ich wahrscheinlich den Verstand, dachte Eddie.
Draußen heulte der Wind, feine Gischt wehte vom Ausgang an der Seite des Gebäudes herein. Eddie sah, wie die Tropfen auf Blaines Scheibe fielen.
Plötzlich erschauerte Eddie und drehte sich unvermittelt um. »Wir werden beobachtet – ich spüre es.«
»Das würde mich nicht im geringsten überraschen. Schieb mich näher ans Tor, Eddie. Ich will mir das Kästchen genauer ansehen.«
»Okay, aber faß es nicht an. Wenn es unter Strom steht…«
»Wenn Blaine uns grillen will, wird er es tun«, sagte Susannah und betrachtete Blaines Rücken durch die Gitterstäbe. »Du weißt das, und ich weiß es auch.«
Und weil Eddie wußte, daß das der Wahrheit entsprach, sagte er nichts.
Das Kästchen sah wie eine Mischung aus Sprech- und Alarmanlage aus. In der oberen Hälfte war ein Lautsprecher eingelassen, daneben etwas, das wie ein SPRECHEN/HÖREN-Knopf aussah. Darunter waren Ziffern zur Form einer Raute angeordnet:
1
2 3
4 5 6
7 8 9 10
11 12 13 14 15
16 17 18 19 20 21
22 23 24 25 26 27 28
29 30 31 32 33 34 35 36
37 38 39 40 41 42 43 44 45
46 47 48 49 50 51 52 53 54 55
56 57 58 59 60 61 62 63 64
65 66 67 68 69 70 71 72
73 74 75 76 77 78 79
80 81 82 83 84 85
86 87 88 89 90
91 92 93 94
95 96 97
98 99
100
Unter dieser Raute befanden sich noch zwei Knöpfe, auf denen Worte der Hochsprache standen: BEFEHL und EINTRITT.
Susannah sah verwirrt und zweifelnd drein. »Was meinst du, was ist das? Sieht wie die Kulisse zu einem Science-fiction-Film aus.«
Ja, genau, überlegte Eddie. Susannah hatte zu ihrer Zeit wahrscheinlich die eine oder andere Hausalarmanlage gesehen – schließlich hatte sie unter den Reichen von Manhattan gelebt, auch wenn diese sie nicht gerade enthusiastisch begrüßt hatten –, aber zwischen ihrer Zeit, 1963, und seiner, 1987, lagen Welten, was elektronische Ausrüstung betraf. Eigentlich haben wir uns nie über die Unterschiede unterhalten, dachte er. Was würde sie wohl denken, wenn ich ihr sagen würde, daß Ronald Reagan Präsident der Vereinigten Staaten war, als Roland mich geholt hat? Wahrscheinlich,
Weitere Kostenlose Bücher