Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
den staubigen Straßen von hundert vergessenen Städten gestanden hatte, auf Dutzenden Schlachtfeldern in felsgesäumten Canyons, in zahllosen dunklen Saloons mit ihrem Geruch nach bitterem Bier und muffigen Mahlzeiten. Es war nur ein weiterer Showdown auf einer verlassenen Straße. Das war alles, und mehr brauchte es nicht. Es war Khef, Ka und Ka-Tet. Dass es immer zum Showdown kam, war ein Eckpfeiler seines Lebens und die Achse, um die Ka sich drehte. Dass der Kampf diesmal mit Worten ausgefochten werden würde und nicht mit Kugeln, spielte dabei keine Rolle; es würde dennoch ein Kampf auf Leben und Tod werden. Der Gestank des Tötens, der in der Luft hing, war so deutlich wie der Gestank von aufgedunsenem Aas im Sumpf. Dann überkam ihn die Kampfeslust, wie das immer der Fall war… und er war eigentlich nicht mehr er selbst.
»Ich kann dich eine unsinnige, schwachköpfige, närrische, arrogante Maschine nennen. Ich kann dich eine dumme, unkluge Kreatur nennen, deren Verstand nicht mehr ist als das Heulen des Winterwinds in einem hohlen Baum.«
»HÖR AUF.«
Roland fuhr im selben gelassenen Ton fort und schenkte Blaine nicht die geringste Beachtung. »Unglücklicherweise bin ich in meiner Fähigkeit, unhöflich zu sein, etwas eingeschränkt, da du ja nur eine Maschine bist… ein ›Gerät‹, wie Eddie sich immer ausdrückt.«
»ICH BIN SEHR VIEL MEHR ALS NUR…«
»Ich kann dich zum Beispiel nicht einen Schwanzlutscher nennen, weil du weder einen Mund noch einen Schwanz hast. Ich kann nicht sagen, dass du erbärmlicher als der erbärmlichste Bettler bist, der jemals im Rinnstein der elendsten Gosse der Schöpfung gekrochen ist, weil selbst solch eine Kreatur besser wäre als du; du hast keine Knie, auf denen du kriechen könntest, und du würdest nicht auf sie sinken, selbst wenn du sie hättest, weil du keine Vorstellung von einem menschlichen Makel wie Barmherzigkeit hast. Ich kann nicht einmal sagen, dass du deine Mutter gefickt hast, weil du nämlich keine hast.«
Roland machte eine Pause, um Luft zu holen. Seine drei Gefährten hielten den Atem an. Um sie herum lag erstickend das verdatterte Schweigen von Blaine dem Mono.
»Ich kann dich allerdings eine treulose Kreatur nennen, die ihre einzige Gefährtin Selbstmord begehen ließ, einen Feigling, der Freude daran gehabt hat, die Dummen zu peinigen und die Unschuldigen zu töten, einen verlorenen und plärrenden mechanischen Kobold…«
»ICH BEFEHLE DIR, SOFORT DAMIT AUFZUHÖREN, SONST TÖTE ICH EUCH ALLE AUF DER STELLE!«
In Rolands Augen loderte ein so grelles blaues Feuer, dass Eddie zurückwich. Er hörte undeutlich, wie Jake und Susannah aufstöhnten.
»Töte, wenn du willst, aber befiehl mir nichts!«, brüllte der Revolvermann. »Du hast die Gesichter deiner Erbauer vergessen! Töte, oder schweig und hör mir zu, mir, Roland von Gilead, Sohn des Steven, Revolvermann und Herr der alten Länder! Ich bin nicht jahrelang und meilenweit gereist, um mir dein kindisches Plappern anzuhören! Hast du verstanden? Und jetzt wirst du MIR zuhören!«
Es herrschte einen Moment lang entsetzliche Stille. Alle hielten die Luft an. Roland starrte streng nach vorn, den Kopf erhoben, die Hand auf dem Revolvergriff.
Susannah Dean hob die Hand zum Mund und ertastete das unmerkliche Lächeln, wie eine Frau ein seltsames neues Kleidungsstück betasten mochte – einen Hut vielleicht –, um sicherzustellen, dass es noch richtig saß. Sie hatte Angst, das Ende ihres Lebens könnte jetzt gekommen sein, aber in diesem Augenblick wohnte nicht Angst in ihrem Herzen, sondern Stolz. Sie sah nach links und stellte fest, dass Eddie den Revolvermann mit einem erstaunten Grinsen betrachtete. Jakes Gesichtsausdruck war noch einfacher zu deuten: Bewunderung, unverhohlen und schlicht.
»Sag es ihm!«, hauchte Jake. »Gib’s ihm! Recht so!«
»Du solltest lieber vorsichtig sein, Blaine«, stimmte Eddie zu. »Es ist ihm wirklich ziemlich scheißegal. Nicht umsonst haben sie ihn den Tollen Hund von Gilead genannt.«
Nach einer langen Pause fragte Blaine: »HAT MAN DICH SO GENANNT, ROLAND, SOHN DES STEVEN?«
»Es mag so gewesen sein«, antwortete Roland, der gelassen in der Luft über dem leblosen Gebirgszug stand.
»WELCHEN NUTZEN HABT IHR FÜR MICH, WENN IHR MIR KEINE RÄTSEL AUFGEBT?«, fragte Blaine. Jetzt hörte er sich wie ein verdrossenes, mürrisches Kind an, das ausnahmsweise einmal länger aufbleiben durfte.
»Ich habe nicht gesagt, dass wir das nicht tun
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