Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
wie einem sprechenden Zug zu tun hatte, nannte man es vermutlich Schleuse oder irgendwie noch cooler). Die rote Strichzeichnung eines Mannes, der durch eine Öffnung trat, befand sich darauf. Susannah versuchte sich vorzustellen, jemand würde den Anweisungen der Zeichnung Folge leisten und bei über achthundert Meilen pro Stunde zu dieser Schleuse hinausgehen. Sie sah kurz, aber deutlich das Bild einer Frau vor sich, deren Kopf wie eine Blüte von einer Blume vom Rumpf gerissen wurde; sie sah den Kopf über die ganze Länge des Baronswagens fliegen, wo er vielleicht ein einziges Mal aufprallen würde, um dann mit glotzenden Augen und peitschendem Haar in der Dunkelheit zu verschwinden.
Sie verdrängte das Bild, so schnell sie konnte. Die Luke dort oben war wahrscheinlich sowieso mit ziemlicher Sicherheit verriegelt. Blaine der Mono hatte nicht die Absicht, sie gehen zu lassen. Möglicherweise gewannen sie ihren Weg ins Freie, aber Susannah hielt das nicht für ausgemacht, selbst wenn es ihnen gelingen sollte, Blaine mit einem Rätsel zu verblüffen.
Ich sag’s nicht gern, aber für mich hört sich das ganz nach einem verlogenen blassn Wichsah an, meine Liebe, dachte sie mit einer geistigen Stimme, die nicht ganz der von Detta Walker entsprach. Ich trau deinem mechanischen Arsch nicht. Ich glaube, nach einer Niederlage bist du gefährlicher als mit dem blauen Siegerabzeichen an deinem Gedächtnisspeicher.
Jake hielt dem Revolvermann sein zerfleddertes Rätselbuch hin, als wollte er nicht mehr die Verantwortung dafür übernehmen. Susannah wusste, wie sich der Junge fühlen musste; möglicherweise hing ihr Leben von diesen schmutzigen, abgegriffenen Seiten ab. Sie war sich nicht sicher, ob sie ihrerseits gern die Verantwortung dafür übernehmen würde, dass alles von diesem Buch abhing.
»Roland«, flüsterte Jake. »Möchtest du das?«
»Möch!«, sagte Oy und warf dem Revolvermann einen abweisenden Blick zu. »Olan-möcht-as!« Der Bumbler schlug die Zähne in das Buch, nahm es Jake aus der Hand, streckte Roland den unverhältnismäßig langen Hals zu und überreichte ihm Ringelrätselreihen. Denksportaufgaben und Logeleien für alle.
Roland betrachtete das Buch einen Moment lang mit geistesabwesendem und nachdenklichem Gesicht und schüttelte dann den Kopf. »Noch nicht.« Er betrachtete den Streckenplan. Blaine hatte kein Gesicht, daher musste die Karte als Ansprechpartner dienen. Der blinkende grüne Punkt war jetzt noch näher an Rilea herangerückt. Susannah fragte sich kurz, wie die Landschaft wohl aussehen mochte, durch die sie gerade fuhren, entschied dann aber, dass sie es eigentlich gar nicht wissen wollte. Nicht nach dem, was sie nach Verlassen der Stadt Lud alles gesehen hatten.
»Blaine!«, rief Roland.
»JA.«
»Kannst du den Raum verlassen? Wir müssen uns beraten.«
Du bist nicht bei Verstand, wenn du glaubst, dass er das tun wird, dachte Susannah, aber Blaine antwortete schnell und eifrig.
»JA, REVOLVERMANN. ICH WERDE SÄMTLICHE SENSOREN IM BARONSWAGEN ABSCHALTEN. WENN EURE KONFERENZ BEENDET IST UND IHR BEREIT SEID, MIT DEN RÄTSELN ZU BEGINNEN, WERDE ICH WIEDERKOMMEN.«
»Klar, du und General MacArthur«, murmelte Eddie.
»WAS HAST DU GESAGT, EDDIE VON NEW YORK?«
»Nichts. Nur Selbstgespräche geführt.«
»UM MICH ZU RUFEN, MÜSST IHR EINFACH NUR DIE KARTE BERÜHREN«, sagte Blaine. »SOLANGE DIE KARTE ROT IST, SIND MEINE SENSOREN ABGESCHALTET. SEE YOU LATER, ALLIGATOR. AFTER AWHILE, CROCODILE. VERGISS NICHT ZU SCHREIBEN.« Eine Pause. Dann: »OLIVENÖL, ABER NIEMALS CASTORIA.«
Das Rechteck mit dem Streckenplan im vorderen Teil der Kabine wurde plötzlich so grellrot, dass Susannah es nicht ansehen konnte, ohne die Augen zuzukneifen.
»Olivenöl, aber niemals Castoria?«, sagte Jake. »Was, zum Henker, soll das bedeuten?«
»Ist nicht wichtig«, sagte Roland. »Wir haben nicht viel Zeit. Die Bahn rast ebenso schnell ihrem Ziel entgegen, ob Blaine nun bei uns ist oder nicht.«
»Du glaubst doch nicht, dass er wirklich weg ist, oder?«, fragte Eddie. »Ein aalglatter Schwindler wie er? Komm schon, werd erwachsen. Er horcht, jede Wette.«
»Das bezweifle ich sehr«, sagte Roland, und Susannah kam zum Ergebnis, dass sie ihm da zustimmen musste. Wenigstens vorerst. »Man konnte hören, wie aufgeregt er war, dass er nach so vielen Jahren wieder Rätsel knacken darf. Und…«
»Und er ist von sich eingenommen«, sagte Susannah. »Er geht davon aus, dass er mit unseresgleichen
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