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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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versuchte, eine letzte Warnung auszustoßen: »Erhöhte Strah…«, und dann fiel er endgültig aus und stand in der Ecke wie ein Kind, das unartig gewesen war.
    Zwei- oder dreihundert Räder außerhalb der Stadt, wenn man sich auf dem Pfad des Balkens bewegte, sanken die Strahlungswerte und die Konzentration von DEP3 im Erdreich rapide. Hier verlief die Schiene des Mono keine drei Meter über dem Boden, und hier kam eine Hirschkuh, die fast normal aussah, graziös aus einem Fichtenwald geschritten und trank aus einem Bach, dessen Wasser sich zu drei Vierteln selbst gereinigt hatte.
    Die Hirschkuh war nicht normal – der Stummel eines fünften Beins hing wie eine Zitze von der Bauchmitte herab und schwang beim Gehen wirbellos hin und her, und ein blindes drittes Auge schaute milchig von der linken Seite der Schnauze. Dennoch war sie fruchtbar und ihre DNS für einen Mutie der zwölften Generation in einem hinreichend guten Zustand. In den sechs Jahren ihres Lebens hatte sie drei lebende Junge zur Welt gebracht. Zwei dieser Kitze waren nicht nur lebensfähig gewesen, sondern normal – Vieh mit guter Erblinie hätte Tante Talitha aus River Crossing sie genannt. Das dritte, ein grässlich plärrendes nacktes Ding, war rasch von seinem Erzeuger getötet worden.
    Die Welt hatte – jedenfalls in diesem Teil – damit angefangen, sich selbst zu heilen.
    Die Hirschkuh senkte das Maul ins Wasser, fing an zu trinken und schaute dann mit großen Augen und tropfender Schnauze auf. In der Ferne konnte sie ein leises summendes Geräusch hören. Einen Augenblick später folgte ein leuchtendes Lichtpünktchen. Furcht durchzuckte die Nerven der Hirschkuh, aber obwohl ihre Reflexe schnell waren und das Licht, als sie es zum ersten Mal sah, noch viele Räder des einsamen Landstrichs entfernt, hatte sie keine Chance zu fliehen. Bevor sie auch nur daran denken konnte, ihre Muskeln in Bewegung zu setzen, war das ferne Fünkchen zu einem sengenden Wolfsauge aus Licht geworden, das die Lichtung und den Bach mit seinem Leuchten überflutete. Mit dem Licht kam das wütende Summen von Blaines Slo-Trans-Motoren, die mit Höchstleistung liefen. Ein rosa Streifen war über dem Betonwall zu sehen, auf dem sich die Schiene befand; ein Kometenschweif von Staub, Steinen, kleinen verstümmelten Tieren und wirbelndem Laub folgte hinterher. Die Hirschkuh wurde durch die Erschütterung von Blaines Durchreise augenblicklich getötet. Obwohl sie zu groß war, um in den Luftsog der Einschienenbahn gerissen zu werden, wurde sie doch fast siebzig Meter weit mitgeschleift, während Wasser von ihrer Schnauze und den Hufen tropfte. Der größte Teil ihres Fells (und das wirbellose fünfte Bein) wurde ihr vom Leib gestreift und wie ein abgelegtes Kleidungsstück hinter Blaine hergezogen.
    Es folgte eine kurze Stille, dünn wie neue Haut oder frühes Eis auf einem Teich an Jahresausklang, und dann folgte der Überschallknall wie ein lärmendes Geschöpf, das sich beim Hochzeitsempfang verspätet hatte; er zerriss die Stille und schlug einen mutierten Vogel – es könnte ein Rabe gewesen sein – tot aus der Luft. Der Vogel fiel wie ein Stein herab und landete platschend im Bach.
    In der Ferne ein schwindendes rotes Auge: Blaines Rücklicht.
    Am Himmel kam der Vollmond hinter einer Wolkenbank hervor und überzog Lichtung und Bach mit den kitschigen Farben von Pfandleihhausjuwelen. Der Mond hatte ein Gesicht, aber keines, das Liebende gern angesehen haben würden. Es schien das schmucklose Gesicht eines Totenschädels zu sein, wie diejenigen im Traveller’s Hotel in Candleton; ein Gesicht, das mit der Heiterkeit eines Irren auf die wenigen Überlebenden, die sich unten abquälten, hinabsah. Bevor sich die Welt weiterbewegt hatte, war der Vollmond an Jahresausklang in Gilead auch Dämonenmond genannt worden, und angeblich sollte es Unglück bringen, ihn unmittelbar anzusehen.
    Jetzt spielte das freilich keine Rolle mehr. Jetzt gab es überall Dämonen.
     
     

2
     
    Susannah betrachtete den Streckenplan und sah, dass sich das grüne Licht, das ihre Position anzeigte, inzwischen fast auf halber Strecke zwischen Candleton und Rilea befand, Blaines nächstem Halt. Aber wer hält?, dachte sie.
    Von dem Streckenplan drehte sie sich zu Eddie um. Eddie hatte den Blick immer noch auf die Decke des Baronswagens gerichtet. Sie folgte dem Blick und sah ein Quadrat, bei dem es sich nur um eine Falltür handeln konnte (nur, wenn man es mit einem futuristischen Scheißdreck

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