Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
nicht viel Mühe haben wird.«
»Wird er das?«, fragte Jake den Revolvermann. »Wird er Mühe mit uns haben?«
»Ich weiß nicht«, sagte Roland. »Ich habe kein Ass im Ärmel versteckt, wenn du das meinst. Es ist ein Spiel mit gleichen Chancen… aber wenigstens eines, das ich schon gespielt habe. Das wir alle schon gespielt haben, zumindest in gewissem Maße. Und wir haben das hier.« Er nickte zu dem Buch hin, das Jake inzwischen von Oy zurückgenommen hatte. »Es sind Mächte hier am Werk, gewaltige Mächte, und nicht alle versuchen, uns vom Turm fern zu halten.«
Susannah hörte ihm zu, musste aber an Blaine denken – Blaine, der weggegangen war und sie allein gelassen hatte wie ein Kind, das »dran« war und gehorsam die Augen schloss, während seine Spielkameraden sich versteckten. Aber waren sie nicht genau das? Blaines Spielkameraden? Der Gedanke war irgendwie schlimmer als die Vorstellung, wie sie versuchte, durch die Luke zu entkommen, und ihr der Kopf abgerissen wurde.
»Also, was sollen wir tun?«, sagte Eddie. »Du musst einen Plan haben, sonst hättest du ihn nicht weggeschickt.«
»Seine hohe Intelligenz könnte ihn – in Verbindung mit seiner langen Einsamkeit und erzwungenen Untätigkeit – menschlicher gemacht haben, als ihm selbst klar ist. Jedenfalls ist das meine Hoffnung. Zuerst müssen wir eine Art Geografie erstellen. Wir müssen herausfinden, sofern wir es können, wo seine Stärken und Schwächen liegen. Wo er sich seiner Sache sicher ist und wo er sich nicht so sicher ist. Bei Rätseln geht es nicht nur um die Intelligenz dessen, der sie stellt, glaubt das nur nicht. Es geht auch um die blinden Flecken dessen, der sie gestellt bekommt.«
»Hat er blinde Flecken?«, fragte Eddie.
»Wenn nicht«, sagte Roland gelassen, »werden wir in diesem Zug sterben.«
»Ich mag die Art, wie du es verstehst, uns zu beruhigen«, sagte Eddie mit einem dünnen Lächeln. »Das ist auch so einer deiner zahlreichen Vorzüge.«
»Wir werden ihm für den Anfang vier Rätsel stellen«, sagte Roland. »Leicht, nicht ganz so leicht, schwer und sehr schwer. Er wird alle vier lösen, davon bin ich überzeugt, aber wir werden darauf achten, wie er sie beantwortet.«
Eddie nickte, und Susannah spürte einen schwachen, fast widerwilligen Funken Hoffnung. Es hörte sich an, als wäre das genau die richtige Vorgehensweise.
»Dann werden wir ihn ein weiteres Mal wegschicken und wieder ein Palaver halten«, sagte der Revolvermann. »Womöglich bekommen wir eine Vorstellung davon, in welche Richtung wir unsere Pferde zu schicken haben. Diese ersten Rätsel können aus sämtlichen Bereichen stammen, aber«, er wies ernst mit dem Kopf auf das Buch, »wenn ich Jakes Geschichte aus der Buchhandlung zugrunde lege, muss die Antwort irgendwo da drinnen sein, nicht in meinen Erinnerungen an Jahrmarktsrätsel. Sie muss da drinnen sein.«
»Frage«, sagte Susannah.
Roland sah sie an und zog die Brauen über die blassen, gefährlich wirkenden Augen hoch.
»Wir suchen nach einer Frage, nicht nach einer Antwort«, sagte sie. »Diesmal könnten Antworten möglicherweise unser Tod sein.«
Der Revolvermann nickte. Er sah verwirrt aus – sogar verzweifelt –, und diesen Gesichtsausdruck sah Susannah nicht gern bei ihm. Diesmal nahm Roland das Buch jedoch entgegen, als Jake es ihm reichte. Er hielt es einen Augenblick lang in Händen (der verblasste, aber immer noch fröhlich rote Einband sah in den großen, sonnenverbrannten Händen ausgesprochen seltsam aus… besonders in der rechten mit den fehlenden zwei Fingern), dann gab er es an Eddie weiter.
»Leicht zu knacken, das ist dein Part«, sagte Roland und drehte sich zu Susannah um.
»Schon möglich«, antwortete sie mit dem Anflug eines Lächelns, »trotzdem ist es nicht sehr höflich, so etwas zu einer Dame zu sagen, Roland.«
Er wandte sich an Jake. »Du kommst als Zweiter mit einem, das etwas schwerer ist. Ich komme als Dritter. Und du als Letzter, Eddie. Nimm eines aus dem Buch, das schwer aussieht…«
»Die schweren sind eher hinten«, ließ Jake wissen.
»… aber verkneif dir deine Witze. Es geht um Leben und Tod. Die Zeit für Witze ist vorbei.«
Eddie sah ihn an – den alten Langen, Großen und Hässlichen, und Gott allein wusste, wie viel hässliche Dinge dieser schon getan hatte, um seinen Turm zu erreichen – und fragte sich, ob Roland überhaupt eine Ahnung davon hatte, wie sehr das wehtat. Allein diese beiläufige Ermahnung, sich jetzt, wo ihrer
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