Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
sahen sie nicht nur wie ein Ka-Tet, sondern obendrein wie Blutsverwandte aus. Susannah zeigte in Richtung Park. Die Schilder, die über den Bäumen aufragten, waberten ein wenig, so wie Gegenstände im Hitzeflimmern.
»Ist das von der Schwachstelle?«, fragte Jake.
Roland nickte.
»Werden wir sie umgehen können?«
»Ja. Schwachstellen sind gefährlich, so wie Sümpfe voller Treibsand und Saligs gefährlich sind. Wisst ihr, was das ist?«
»Wir wissen, was Treibsand ist«, sagte Jake. »Und wenn Saligs lange grüne Biester mit großen Zähnen sind, kennen wir die auch.«
»Genau das sind sie.«
Susannah drehte sich ein letztes Mal um und sah Blaine an. »Keine dummen Fragen und keine dummen Spiele. In der Hinsicht hatte das Buch Recht.« Von Blaine sah sie zu Roland. »Was ist mit Beryl Evans, der Frau, die Charlie Tschuff-Tschuff geschrieben hat? Glaubst du, sie gehört auch dazu? Dass wir sie vielleicht sogar einmal kennen lernen? Ich würde mich gern bei ihr bedanken. Eddie ist zwar allein dahinter gekommen, aber…«
»Es ist möglich, denke ich«, sagte Roland, »aber eigentlich glaube ich es nicht. Meine Welt ist wie ein riesiges Schiff, das so nahe an der Küste gesunken ist, dass der größte Teil der Trümmer an den Strand gespült wurde. Vieles von dem, was wir finden, mag faszinierend sein, manches mag nützlich sein, wenn das Ka es erlaubt, aber es werden trotzdem Trümmer sein. Sinnlose Trümmer.« Er drehte sich um. »Wie dieser Ort, schätze ich mal.«
»Ich würde das nicht gerade als Wrackteile bezeichnen«, sagte Eddie. »Sieh dir die Farbe dieses Bahnhofs an – sie ist ein bisschen rostig von den Regenrinnen unter den Erkern, aber soweit ich sehen kann, ist sie nirgendwo abgeblättert.« Er blieb vor den Türen stehen und strich mit den Fingern über eine der Glasscheiben. Sie hinterließen vier klare Spuren. »Staub, und zwar nicht wenig, aber keine Sprünge. Ich würde sagen, dass dieses Gebäude spätestens seit… schätzungsweise Sommeranfang nicht mehr gewartet wurde.«
Er sah Roland an, der achselzuckend nickte. Der Revolvermann hörte nur mit halbem Ohr zu und konzentrierte sich nur mit halbem Verstand. Der Rest von ihm war mit zweierlei beschäftigt: dem Heulen der Schwachstelle und damit, die Erinnerungen zurückzudrängen, die ihn überwältigen wollten.
»Aber Lud war schon seit Jahrhunderten Verfall und Untergang preisgegeben«, sagte Susannah. »Dieser Ort hier… vielleicht ist es Topeka, vielleicht auch nicht, aber mir kommt er wie eine der unheimlichen kleinen Ortschaften in der Gruselsendung Twilight Zone vor. Ihr Jungs werdet euch vielleicht nicht mehr daran erinnern, aber…«
»Doch, ich schon«, sagten Jake und Eddie wie aus einem Mund, dann sahen sie einander an und lachten. Eddie hielt die Hand hoch, und Jake klatschte ab.
»Sie zeigen immer noch die Wiederholungen«, sagte Jake.
»Ja, andauernd«, fügte Eddie hinzu. »Normalerweise werden sie von Konkursverwaltern gesponsert, die wie Foxterrier aussehen. Und du hast Recht. Der Ort hier ist nicht wie Lud. Warum auch? Es ist nicht dieselbe Welt wie Lud. Ich weiß nicht, wo der Übergang stattgefunden hat, aber…« Er zeigte auf das blaue Schild der Interstate 70, als würde das ohne den Schatten eines Zweifels beweisen, was er sagen wollte.
»Aber wenn es Topeka ist, wo sind dann die Menschen?«, fragte Susannah.
Eddie zuckte die Achseln und hob die Hände – wer weiß?
Jake legte die Stirn an die Glasscheibe der mittleren Tür, hielt die Hände seitlich ans Gesicht und sah hinein. Er verharrte mehrere Sekunden in dieser Haltung, dann sah er etwas, bei dem er schnell zurückzuckte. »Oh-oh«, sagte er. »Kein Wunder, dass es in der Stadt so still ist.«
Roland trat hinter Jake und sah über den Kopf des Jungen hinweg, wobei er selbst die Hände ans Gesicht presste, um das Licht abzuhalten. Der Revolvermann zog zwei Schlussfolgerungen, noch ehe er sah, was Jake gesehen hatte. Die erste war, dass dies ganz eindeutig ein Bahnhof war, aber kein Blaine -Bahnhof… keine Krippe. Die andere war, dass der Bahnhof tatsächlich zu Eddies, Jakes und Susannahs Welt gehörte… aber möglicherweise nicht in ihr Wo.
Das ist die Schwachstelle. Wir müssen vorsichtig sein.
Zwei Tote saßen aneinander gelehnt auf einer der langen Bänke, die fast den gesamten Raum ausfüllten; abgesehen von den schlaffen, runzligen Gesichtern und den schwarzen Händen, sahen sie aus wie Zecher, die nach einem ausufernden Gelage in der
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