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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Holster. Sie waren groß und wirkten in dieser weitgehend waffenlosen Welt schon ziemlich erstaunlich, aber sie waren nicht so groß wie diejenigen, die Rolands Vater trug, und die Griffe bestanden auch nur aus abgenutztem Metall und wiesen keinerlei Einlegearbeiten auf. Als die Hure die Waffen an den Hüften des Eindringlings und die in seinen Händen sah – diejenigen, welche ihr jugendlicher Freier bis zu dem Augenblick getragen hatte, als sie ihn mit nach oben genommen und aller Waffen beraubt hatte, abgesehen von der einen, mit der sie am besten vertraut war –, verschwand der verschlafen quengelige Ausdruck von ihrem Gesicht. An seine Stelle trat die listige Miene der geborenen Überlebenskünstlerin. Sie sprang aus dem Bett, lief durch das Zimmer und verschwand durch die Tür, bevor ihr blanker Hintern die Gelegenheit hatte, länger als einen kurzen Moment im Licht der Morgensonne aufzuleuchten.
    Weder der Vater, der neben dem Bett stand, noch der Sohn, der zu seinen Füßen nackt auf dem Boden lag, würdigte sie auch nur eines Blickes. Der Mann in den Jeans hielt die Revolvergurte hoch, die Roland am vergangenen Nachmittag mithilfe Corts Schlüssel aus der Waffenkammer unter der Baracke der Lehrlinge geholt hatte. Der Mann schüttelte die Gurte unter Rolands Nase, wie man ein zerrissenes Kleidungsstück vor der Nase des unartigen Welpen schütteln würde, der daran herumgekaut hatte. Er schüttelte sie so heftig, dass eine der Waffen herausfiel. Trotz seiner Benommenheit fing Roland sie im Flug auf.
    »Ich dachte, du wärst im Westen«, sagte Roland. »In Cressia. Hinter Farson und seinen…«
    Der Vater schlug Roland so fest, dass der Junge durch das ganze Zimmer in die Ecke flog und ihm Blut aus einem der Mundwinkel floss. Rolands erster, erschreckender Drang war es, die Waffe zu heben, die er in der Hand hielt.
    Steven Deschain sah ihn an, die Hände in die Hüften gestemmt, und las den Gedanken, noch ehe er vollständig ausformuliert war. Er verzog die Lippen zu einem erbarmungslosen Grinsen, bei dem sämtliche Zähne und der größte Teil des Zahnfleischs zu sehen waren.
    »Erschieß mich, wenn du willst. Warum nicht? Mach diesen Fehlschlag vollständig. Ah, ihr Götter, ich würde es begrüßen!«
    Roland legte die Waffe auf den Boden und stieß sie mit dem Handrücken weg. Plötzlich wollte er seine Finger nicht mehr in der Nähe des Abzugs eines Revolvers haben. Er hatte sie nicht mehr ganz in der Gewalt, diese Finger. Das hatte er bereits am Tag zuvor feststellen müssen, etwa zu dem Zeitpunkt, als er Cort die Nase gebrochen hatte.
    »Vater, ich habe gestern meine Prüfung abgelegt. Ich habe Cort seinen Stock weggenommen. Ich bin ein Mann.«
    »Du bist ein Narr«, sagte sein Vater. Das Grinsen war jetzt verschwunden; er sah hager und alt aus. Er ließ sich auf das Bett der Hure sinken, betrachtete die Revolvergurte, die er immer noch hielt, und ließ sie zwischen seine Füße fallen. »Du bist ein vierzehnjähriger Narr, und das sind die schlimmsten und verzweifeltsten.« Er sah wieder wütend auf, aber das störte Roland nicht; Wut war besser als jener Ausdruck der Erschöpfung. Jener Ausdruck eines alten Mannes. »Ich weiß, dass du kein Genie bist, seit du ein Säugling warst, aber bis gestern Abend habe ich nicht geglaubt, dass du ein Idiot bist. Dass du dich von ihm hast treiben lassen wie ein Stück Vieh zur Schlachtbank! Götter! Du hast das Angesicht deines Vaters vergessen! Sag es!«
    Und das ließ die Wut des Jungen hell auflodern. Bei allem, was er am Tag zuvor getan hatte, hatte er das Angesicht seines Vaters fest vor Augen gehabt.
    »Das ist nicht wahr!«, schrie er von seinem Platz aus, wo er mit nacktem Hintern auf den rauen Bodendielen in der Kammer der Hure saß und den Rücken an die Wand lehnte, während die Sonne durch das Fenster schien und den Flaum seiner hellen, makellosen Wangen berührte.
    »Es ist wahr, du Balg! Du närrischer Balg! Sag deine Bußformel, oder ich werde dir das Fell über die…«
    »Sie waren zusammen!«, platzte der Junge heraus. »Deine Frau und dein Minister – dein Zauberer! Ich habe das Mal seines Mundes an ihrem Hals gesehen! Am Hals meiner Mutter!« Er griff nach der Waffe und hob sie auf, achtete aber selbst in seiner Scham und Wut sorgsam darauf, dass er mit den Fingern nicht in die Nähe des Abzugs kam; er hielt den Lehrlingsrevolver nur am schlichten, schmucklosen Metall des Laufs. »Heute werde ich dem Leben dieses verräterischen Verführers

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