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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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schaute zu ihr auf, schien sie abzuschätzen und verzog dann das Gesicht zu einem Ausdruck, der seltsam menschlich wirkte: Verachtung. Das Tier zischte sie an und verschwand blitzschnell in der Nacht.
    Nun, dir auch einen guten Abend, dachte Susan.
    Die alte Frau, zu der sie geschickt worden war, trat aus der Tür heraus. Sie betrachtete Susan mit demselben Ausdruck unverhohlener Verachtung von oben bis unten, dann trat sie zurück. »Komm rein. Und vergiss nicht, die Tür fest zuzumachen. Der Wind weht sie immerzu auf, wie du sehen kannst!«
    Susan trat ein. Sie wollte sich nicht mit der alten Frau in diesem übel riechenden Zimmer einschließen, aber wenn einem keine Wahl blieb, war Zaudern immer ein Fehler. Das hatte ihr Vater stets gesagt, ob es um das Thema Addieren und Subtrahieren ging oder wie man sich gegenüber Jungs beim Scheunentanz verhielt, wenn deren Hände zu abenteuerlustig wurden. Sie zog die Tür fest zu und hörte sie einrasten.
    »Da bist du ja«, sagte die alte Frau und schenkte ihr ein groteskes Willkommenslächeln. Es war ein Lächeln, bei dem selbst tapfere Mädchen an die Geschichten denken mussten, die in der Schule erzählt wurden – Ammenmärchen von alten Frauen mit schiefen Zähnen und blubbernden Kesseln voller froschgrüner Brühe. In diesem Zimmer gab es keinen Kessel über dem Kaminfeuer (noch war das Feuer, nach Susans Meinung, besonders eindrucksvoll), aber das Mädchen vermutete, dass es dereinst einen gegeben hatte, mit Sachen darin, an die man vielleicht lieber nicht dachte. Dass diese Frau eine richtige Hexe war und nicht nur eine alte Frau, die sich für eine ausgab, dessen war Susan seit dem Moment gewiss, als sie Rhea mit der missgebildeten Katze im Schlepptau in die Hütte hatte laufen sehen. Man konnte es fast riechen, so wie den unangenehmen Geruch, der von der Haut der Vettel ausging.
    »Aye«, sagte sie lächelnd. Sie versuchte es gut hinzubekommen, strahlend und furchtlos. »Hier bin ich.«
    »Und du bist recht früh, mein kleines Liebchen. Früh bist du! Hihi!«
    »Ich bin ein Stück gelaufen. Ich schätze, der Mond ist mir ins Blut gefahren. Das hätte mein Da’ gesagt.«
    Das Grinsen der alten Frau weitete sich zu etwas, bei dem Susan daran denken musste, wie Aale manchmal zu grinsen schienen, nach dem Tod und kurz vor dem Kochtopf. »Aye, aber der ist tot, seit fünf Jahren tot, Pat Delgado mit dem roten Haar und Bart, sein eigenes Pferd hat das Leben aus ihm rausgetrampelt, aye, und er ist zur Lichtung am Ende des Pfades gegangen mit der Musik der eigenen brechenden Knochen in den Ohren, das ist er!«
    Das nervöse Lächeln verschwand von Susans Gesicht, als wäre es weggeohrfeigt worden. Sie spürte Tränen, die niemals fern waren, wenn der Name ihres Da's auch nur erwähnt wurde, hinter ihren Augen brennen. Aber sie würde sie nicht herauskullern lassen. Nicht vor den Augen dieser herzlosen alten Krähe, auf keinen Fall.
    »Kommen wir zum Geschäft, und bringen wir es rasch hinter uns«, sagte sie mit einer trockenen Stimme, die ganz anders als sonst klang; diese Stimme war normalerweise fröhlich und heiter und zu allen Späßen bereit. Aber sie war Pat Delgados Kind, die Tochter des besten Herdenführers, der jemals an der Westlichen Schräge gearbeitet hatte, und sie erinnerte sich sehr gut an sein Gesicht; falls erforderlich, konnte sie eine stärkere Natur entwickeln, und im Augenblick schien das eindeutig der Fall zu sein. Die alte Frau wollte so tief kratzen, wie sie nur konnte, und je mehr sie sah, dass ihre Versuche von Erfolg gekrönt wurden, desto hartnäckiger würde sie weitere anstellen.
    Unterdessen beobachtete die Vettel Susan verschlagen, die knotigen Hände in die Hüften gestemmt, während ihre Katze ihr um die Knöchel strich. Ihre Augen trieften, aber Susan sah sie dennoch deutlich genug, um zu erkennen, dass sie dieselbe graugrüne Farbe wie die Augen der Katze hatten, und sich zu fragen, was für ein Zauber wohl dafür verantwortlich sein mochte. Sie verspürte einen Drang – fast überwältigend –, den Blick zu senken, gab ihm aber nicht nach. Es war in Ordnung, Furcht zu empfinden, aber manchmal sehr schlecht, es sich anmerken zu lassen.
    »Du schaust mich schnippisch an, Missy«, sagte Rhea schließlich. Ihr Lächeln löste sich allmählich zu einem beleidigten Stirnrunzeln auf.
    »Nay, alte Mutter«, erwiderte Susan gelassen. »Nur wie eine, die erledigen möchte, weshalb sie gekommen ist, damit sie wieder gehen kann. Ich bin auf

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