Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
Angst – mehr Angst noch als eben, als sie durch das Fenster geschaut und gesehen hatte, wie die alte Frau mit der Glaskugel sprach. »Seine Frau ist kinderlos ans Ende ihrer fruchtbaren Zeit gekommen. Er möchte einen Sohn haben, bevor er ebenfalls nicht mehr imstande ist…«
»Papperlapapp, verschon mich mit der Schönfärberei und den hochtrabenden Worten. Er will Titten und Arsch, die nicht unter seinen Händen nachgeben, und eine Dose, die auch noch packt, was er reinzustoßen hat. Das heißt, falls er noch Manns genug ist, um zu stoßen. Wenn ein Sohn dabei rauskommt, fein, er wird ihn dir überlassen, damit du ihn großziehen kannst, bis er alt genug ist, in die Schule zu gehen, und danach wirst du ihn nie wiedersehen. Wenn es ein Mädchen wird, dann gibt er es wahrscheinlich seinem neuen Mann, dem Hinkenden mit dem Weiberhaar, damit er es in der nächsten Viehtränke ersäuft.«
Susan sah sie über alle Maßen schockiert an.
Die alte Frau sah den Ausdruck und lachte. »Hörst die Wahrheit nicht gern, was? Ist bei den meisten so, Missy. Aber darauf kommt es nicht an; deine Tante war schon immer listig, und sie wird Thorin und Thorins Schatzkammer einiges abgeluchst haben. Wie viel Gold du dafür zu sehen bekommst, geht mich nichts an… und dich auch nicht, wenn du nicht gut aufpasst! Hihi! Zieh das Kleid aus!«
Das werde ich nicht, lag ihr als Antwort auf der Zunge, aber was dann? Dann würde sie aus dieser Hütte verwiesen (und sie konnte sich schon glücklich schätzen, wenn sie weitgehend so daraus verwiesen wurde, wie sie gekommen war, und nicht als Eidechse oder hüpfende Kröte) und nach Westen geschickt werden, und zwar so, wie sie jetzt war, selbst ohne die beiden Goldmünzen, die sie mitgebracht hatte. Aber das war nur das kleinere Übel. Das größere war, sie hatte ihr Wort gegeben. Anfangs hatte sie sich geweigert, aber als Tante Cord den Namen von Susans Vater beschworen hatte, da hatte sie nachgegeben. Wie immer. Sie hatte wirklich keine andere Wahl. Und wenn man keine Wahl hatte, war das Zögern immer ein Fehler.
Sie strich über die Vorderseite ihrer Schürze, an der jetzt kleine Rindenstückchen klebten, dann band sie sie auf und streifte sie ab. Sie faltete sie zusammen, legte sie auf einen kleinen, rußigen Schemel beim Herd und knöpfte das Kleid bis zur Taille auf. Sie streifte es von den Schultern und stieg heraus. Sie faltete es zusammen, legte es auf die Schürze und bemühte sich, nicht zu beachten, wie gierig Rhea vom Cöos sie im Licht des Feuers anstarrte. Die Katze kam mit ihren grotesk baumelnden zusätzlichen Beinen auf dem Fußboden herbeigeschlichen und setzte sich zu Rheas Füßen hin. Draußen heulte der Wind. Es war warm am Herd, aber Susan fröstelte dennoch, so als würde der Wind irgendwie in ihr Innerstes wehen.
»Beeil dich, Mädchen, um deines Vaters willen!«
Susan zog das Leibchen über den Kopf, legte es auf das Kleid und stand mit vor der Brust verschränkten Armen nur noch im Höschen da. Das Feuer malte warme orangerote Lichtflecken auf ihre Oberschenkel; schwarze Kreise von Schatten in ihre zarten Kniekehlen.
»Und immer noch ist sie nicht nackicht!« Die alte Krähe lachte. »Sind wir nicht zimperlich?! Aye, das sind wir, ausgezeichnet! Zieh dieses Höschen aus, Fräulein, und steh vor mir, wie du aus deiner Mutter geschlüpft bist! Obwohl du damals noch nicht so viele schöne Sächelchen gehabt hast, die Hart Thorin und seinesgleichen fesseln könnten, richtig? Hihi.«
Susan, die sich wie in einem Albtraum vorkam, tat, wie ihr geheißen. Nachdem ihr Venushügel und ihr Busch entblößt waren, kamen ihr die verschränkten Arme albern vor. Sie ließ sie an den Seiten herabhängen.
»Ah, kein Wunder, dass er dich will!«, sagte die alte Frau. »Bist wunderschön, und wahrhaftig! Ist es nicht so, Musty?«
Die Katze miaute.
»Da ist Schmutz an deinen Knien«, sagte Rhea plötzlich. »Wie kommt der dahin?«
Susan verspürte kurz eine schreckliche Panik. Sie hatte den Rock hochgehoben, um unter dem Fenster der Hexe hindurchzukriechen… und sich damit selbst preisgegeben.
Dann fiel ihr eine Antwort ein, die sie gelassen aussprach. »Als ich deine Hütte sah, bekam ich es mit der Angst zu tun. Ich kniete nieder zum Gebet und hob dabei den Rock, um ihn nicht zu beschmutzen.«
»Ich bin gerührt – du willst ein sauberes Kleid für eine wie mich! Wie gut du bist! Findest du nicht auch, Musty?«
Die Katze miaute und fing an, eine ihrer Vorderpfoten zu
Weitere Kostenlose Bücher