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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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verspürte sie Schmerzen so stechend wie Messerstiche in sich… Und auch wenn es zweifellos grausam war, hoffte sie, dass er dieselben Messerstiche verspürte. Wenn diese erbärmlichen Wochen überhaupt etwas Gutes hatten, dann nur, dass ihre größte Befürchtung – es könnte über sie und den jungen Mann, der sich Will Dearborn nannte, geklatscht werden – langsam nachließ, was sie sogar mit einer gewissen Traurigkeit erfüllte. Klatsch? Es gab nichts, worüber man klatschen konnte.
    Dann, an einem Tag zwischen dem Verschwinden des Hausierermondes und dem Auftauchen der Jägerin, kam das Ka schließlich und blies sie fort – Haus und Scheune und alles. Es begann mit einem Besucher an der Tür.
     
     
     

2
     
    Sie hatte gerade die Wäsche erledigt – bei nur zwei Frauen eine recht leichte Aufgabe –, als es an der Tür klopfte.
    »Wenn es der Lumpensammler ist, schick ihn weg, hörst du!«, rief Tante Cord aus dem Nebenzimmer, wo sie gerade das Bettzeug wendete.
    Aber es war nicht der Lumpensammler. Es war Maria, ihre Zofe auf Seafront, die am Boden zerstört zu sein schien. Das zweite Kleid, das Susan am Erntetag tragen sollte – das Seidenkleid für das Mittagessen beim Bürgermeister und den anschließenden Empfang –, sei ruiniert, sagte Maria, und ihr schiebe man nun die ganze Schuld dafür in die Schuhe. Sie werde nach Onnies Furt zurückgeschickt werden, wenn sie Pech habe, dabei sei sie die einzige Unterstützung für ihre Mutter und ihren Vater – ach, das alles sei hart, viel zu hart, das sei es. Könne Susan nicht mitkommen? Bitte?
    Susan ging gern mit – derzeit war sie immer froh, wenn sie das Haus verlassen konnte, um der keifenden, quengeligen Stimme ihrer Tante zu entfliehen. Je näher Ernte rückte, so schien es, desto weniger konnten sie und Tante Cord einander ausstehen.
    Sie nahmen Pylon, der mit Vergnügen zwei Mädchen trug, die in der Morgenkühle hintereinander auf ihm saßen, und Marias Geschichte war rasch erzählt. Susan begriff ziemlich schnell, dass Marias Lage auf Seafront nicht sonderlich gefährdet war; das kleine, dunkelhaarige Mädchen hatte lediglich ihrer angeborenen (und recht charmanten) Neigung gefrönt, aus einer Mücke einen Elaphaunten zu machen.
    Das zweite Erntekleid (das Susan als »Blaues Kleid mit Perlen« betrachtete; das erste, ihr Frühstückskleid, hieß »Weißes Kleid mit hoher Taille und Puffärmeln«) war abseits der anderen aufbewahrt worden, weil noch einige Änderungen anstanden, aber etwas war in das Nähzimmer im Erdgeschoss eingedrungen und hatte das Kleid so gut wie zerfetzt. Wäre es das Kostüm gewesen, das sie zum Entzünden des Freudenfeuers oder zum Ball nach dem Freudenfeuer tragen sollte, wäre die Angelegenheit wahrhaftig ernst gewesen. Aber das »Blaue Kleid mit Perlen« war im Grunde genommen nichts weiter als ein herausgeputztes Tageskleid und konnte in den zwei Monaten zwischen jetzt und dem Erntefest mühelos ersetzt werden. Nur zwei! Einst – in der Nacht, als die alte Hexe ihr den Aufschub gewährt hatte – war es ihr vorgekommen wie Äonen, bis sie Bürgermeister Thorin im Bett zu Willen sein musste. Und jetzt waren es nur noch zwei Monate! Bei diesem Gedanken wand sie sich in einer Art von unwillkürlichem Aufbegehren.
    »Ma’am?«, sagte Maria. Susan duldete nicht, dass das Mädchen sie Sai nannte, und Maria, die es nicht über sich bringen konnte, ihre Herrin mit Namen anzusprechen, hatte sich für diesen Kompromiss entschieden. Susan fand den Ausdruck amüsant, besonders wenn sie daran dachte, dass sie erst sechzehn und Maria wahrscheinlich nur zwei oder drei Jahre älter war. »Ma’am, alles in Ordnung?«
    »Nur ein Hexenschuss, Maria, das ist alles.«
    »Aye, das kenne ich. Ziemlich schlimm, das sind sie. Ich hab drei Tanten, die an der Schwindsucht gestorben sind, und wenn ich diese Schmerzen bekomme, hab ich immer Angst, dass…«
    »Was für ein Tier hat das blaue Kleid zerfetzt? Weißt du es?«
    Maria beugte sich nach vorn, damit sie ihrer Herrin vertraulich ins Ohr sprechen konnte, so als befänden sie sich auf einem bevölkerten Marktplatz anstatt auf der Straße nach Seafront. »Man sagt, dass ein Waschbär durch das Fenster reingekommen ist, das tagsüber wegen der Hitze offen steht und nachts vergessen wurde, aber ich konnte in dem Zimmer herumschnuppern, und Kimba Rimer ebenfalls, als er herunterkam, um nachzusehen. Kurz bevor er mich zu Euch geschickt hat, war das.«
    »Was hast du gerochen?«
    Maria

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