Der Durst der Toten
anderem«, murmelte Darren.
»Ihr Vater ist gerade fünfzig geworden«, behauptete Dr. Kafka.
»Das ... das kann nicht sein«, gab Darren lahm zurück. Sein Blick fixierte wider seinen Willen das Ding, das der Mann dort in seinen Händen hielt.
Es dauerte eine Weile, bis Darren erkannte, daß es irgendwann einmal eine Puppe gewesen sein mußte, aus Stoff gefertigt und mit Schaumstoff gefüllt.
Jetzt aber war es nur ein zerrissenes Etwas, das vor dunkler Nässe troff - - und in das der Mann plötzlich seinen zahnlosen Mund grub! Darren sah, wie der Mann (sein Vater? Nein! Bitte - nicht!) die alte Puppe mit bloßem, faulig dunklem Zahnfleisch bearbeitete ... und aussog! Der spitze Adamsapfel des Alten tanzte beim Schlucken der dunklen Flüssigkeit auf und ab, als tanze hinter der faltigen Haut seines Halses ein Jo-Jo am Band.
»Wir tränken unserem Vampir sein Lieblingsspielzeug immer mal mit Schweineblut«, erklärte der Pfleger, und seinem Tonfall war un-überhörbar zu entnehmen, daß es ihm nicht um die reine Information ging. Es machte ihm Spaß, Darren zu schockieren - so wie es ihm wahrscheinlich Spaß machte, jede Kreatur auf Erden zu quälen, über die er sich erhaben fühlte.
»Hält ihn bei Laune und stellt ihn ruhig«, ergänzte der Gorilla grinsend.
»Schweineblut?« fragte Darren fassungslos. Er wandte sich an Dr. Kafka. »Sie schulden mir eine Erklärung«, sagte er mit belegter Stimme.
»Ja, aber nicht hier«, antwortete sie. »Gehen wir nach oben.«
Dr. Kafka setzte sich bereits in Bewegung, aber Darren blieb noch stehen.
»Kann ich denn nicht mit ihm reden?« fragte er flehend.
»Versuchen Sie es.«
Darren trat wieder an die Tür. Dreimal mußte er ansetzen, und selbst dann brachte er nur rauh hervor: »Dad?«
Der Mann, der irgendwann einmal Brian Secada gewesen sein mochte, sah auf. Sein blutverschmierter Mund verzog sich und sah aus wie der eines schlechtgeschminkten Clowns. Und dann - überwand er die Distanz zur Tür mit einem einzigen Sprung! Er flog förmlich heran. Und sein Arm schoß zielsicher zwischen zwei Gitterstäben hindurch, die Finger zur Kralle gekrümmt - und die lan-gen Nägel zogen brennende Striemen über Darrens Wange.
»Niemand kann mit ihm reden«, hörte er Dr. Kafkas Stimme im Zurücktaumeln und über seinem eigenen Schrei. »Und niemand sollte es versuchen.«
Sie ging weiter. Und Darren folgte ihr.
Erst als sie die Treppe bis zu Dr. Kafkas Büro fast schon hochgestiegen waren, fand Darren seine Stimme wieder und fragte: »Ist es denn wirklich nötig, ihn in diesem . Loch einzusperren?«
Dr. Kafka sah sich nicht nach ihm um, als sie sagte: »Mister Seca-da, glauben Sie mir - ich habe im Bitterblue Asylum schon Patienten geheilt, die anderswo als hoffnungslos galten. Aber Ihren Vater könnte nicht einmal ein Wunder heilen - und ich glaube an Wunder.«
»Das ist nicht unbedingt eine Antwort auf meine Frage.«
»Na gut, die Antwort ist: Ja, es ist notwendig, Ihren Vater und die anderen dort unten einzusperren.«
Dr. Kafka öffnete eine Sicherheitstür, führte Darren durch einen anderen Gang als vorhin, und schließlich betraten sie ein anderes Büro.
Es war nicht vollgestopft mit Büchern, sondern mit Akten, die scheinbar wahllos auf Regale und Schränke verteilt worden waren. Mochte sein, daß ein System dahinter steckte, aber Darren war es herzlich egal. Er ließ sich erschöpft und stöhnend auf einen unbequemen Holzstuhl fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. Seine gebeugte Gestalt bebte in lautlosem Schluchzen. Er fühlte sich, als hätte er Fieber.
Wortlos stieß Dr. Kafka ihn an, und als er aufsah, reichte sie ihm ein Glas Wasser.
»Haben Sie nichts . Härteres?« fragte Darren fast flehend.
»Natürlich.«
Von irgendwoher zauberte sie eine Flasche Cognac nebst passendem Glas, füllte es beinahe halbvoll und gab es Darren, der einen großen Schluck nahm und sich dann ganz und gar auf den Schmerz konzentrierte, mit dem seine Speiseröhre und noch in derselben Sekunde seine Magenwände in Flammen aufzugehen schienen.
Das Gefühl trieb ihm Tränen in die Augen, aber es war immer noch erträglicher als der Gedanke an die Kreatur, die angeblich sein Vater war.
Nun, im Grunde zweifelte Darren nicht einmal mehr daran. Warum sollte ihn jemand derart belügen?
Aber diese Einsicht beantwortete nicht eine einzige der zahllosen Fragen. Und dann stellte er doch nur eine; eine allerdings, die alle anderen mit einschloß.
»Warum?«
Das Wort
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