Der Durst der Toten
Vorspiel war ihm längst schon zuwider. Er drehte sich um und verließ den engen Raum.
Dr. Kafka und der Gorilla folgten ihm, drängten sich an ihm vorbei und gingen den düsteren Gang hinunter.
Darren war zu keinem auch nur halbwegs schnellen Schritt fähig. Sein Blick hing wie gebannt an der Reihe von Türen, die sich links von ihm hinzogen. Jeweils auf Kopfhöhe war ein fingerdickes Gitter darin eingelassen, die Holzladen, mit denen man die Luken verschließen konnte, standen teilweise offen.
In den Zellen dahinter brannte kein Licht. Aber Darren meinte trotzdem, etwas sehen zu können - schattenhafte Gestalten, das matte Schimmern feuchter Augen .
... und er hörte etwas; mehr, als ihm lieb war. Unverständliche Laute meistenteils, sinnloses Gebrabbel; dazwischen aber auch unflätigste, ordinäre Beschimpfungen und - am schlimmsten von allem - Schreie, die nie zu enden schienen, obschon ihnen die Kraft vielleicht seit Jahren schon fehlte.
Darren kam sich vor, als laufe er durch einen Hagelschauer. Er schauderte so sehr, daß es wehtat - und er war so gefangen in diesem Entsetzen, daß er wie blind gegen den breiten Rücken des Pflegers lief.
Der Riese und Dr. Kafka waren vor einer der letzten Türen des Gangs stehengeblieben. Die Anstaltsleiterin wies stumm auf die verschlossene Holzklappe. Der Pfleger öffnete sie, hakte dann eine Taschenlampe von seinem Gürtel und leuchtete durch die Luke.
»Ja, wo ist er denn?« Er kicherte blöde. Dr. Kafkas strafenden Blick bemerkte er nicht einmal.
»Ah, hier«, sagte er dann und trat zur Seite, ohne die Lampe wegzunehmen.
Dr. Kafka wies mit einladender Geste auf die Sichtöffnung.
»Bitte sehr«, forderte sie Darren auf.
Darren atmete tief durch. Einen Moment lang war er versucht, die Anstaltsleiterin doch noch um weitere Erklärungen zu bitten, ließ es aber sein, weil er wußte, daß er sie nicht bekommen würde.
Dann trat er mit einem Schritt an die Tür, schaute zwischen den Gitterstäben hindurch und sah sofort, was der Lampenschein wie ein Spotlight aus dem Dunkel riß.
Mit einem Aufschrei prallte Darren Secada zurück!
Er rang nach Luft und schmeckte zugleich, wie sein Mund sich mit bitterer Galle füllte. Schwäche fiel ihn an wie ein wildes Tier, alles Blut schien nicht nur aus seinem Gesicht, sondern aus seinem ganzen Körper gewichen zu sein.
»N-nein«, preßte er dann fast tonlos hervor, »das kann nicht sein. Das ist nicht mein Vater!«
Er wußte nicht, welcher Teufel ihn ritt, als er sich auf Dr. Kafka stürzen wollte. Der Pfleger hielt ihn mit einer scheint's mühelosen Bewegung davon ab. Darren zappelte im Griff des Hünen.
»Sagen Sie, daß es nicht wahr ist!« schrie Darren.
Dr. Kafka nickte, und die Anteilnahme in ihrem Gesicht war so tief wie echt.
»Doch, Mister Secada, das ist Ihr Vater. Er ist ein -«, sie zuckte die Schultern und versuchte etwas wie ein Lächeln, das völlig mißriet, »- ein Vampir.«
*
Darren Secada starrte Dr. Kafka offenen Mundes, völlig entgeistert an. Und nach einer ganzen Weile - lachte er. Leise und unsicher erst, bis es dann klang, als schluchze er vor Verzweiflung.
»Mein Vater ist ein - was bitte?« brachte er irgendwie hervor. Seine eigene Stimme schien ihm fremd, und er hörte sie auch wie aus dem Mund eines anderen.
»Nun«, meinte Dr. Kafka, »ich habe mich vielleicht etwas unglücklich ausgedrückt. Fakt ist, daß Ihr Vater sich für einen Vampir hält.«
Den Anblick seines Vaters machte dieser feine Unterschied um keinen Deut leichter. Darren sah abermals durch das Gitterloch, und diesmal hielt er den Blick fest auf den Insassen der Zelle gerichtet, obwohl alles in ihm danach schrie, es nicht zu tun.
Der Mann, der dort im Licht der Taschenlampe am Boden kauerte, sah furchtbar aus. Seine Haut war beinahe so bleich wie die eines Albinos, seine Lider rot und eitrig entzündet, und seine Augen schienen wie aus sprödem Glas gemacht. Das verfilzte Haar reichte ihm bis zu den mageren Schultern, und der zerschlissene Anstaltskittel entblößte seine dürre Gestalt eher, als daß er Brian Secada kleidete - - wenn dieser Mann denn wirklich Brian Secada war.
Denn dieser Mann da, der laut Dr. Kafka Darren Secadas Vater war, mußte an die hundert Jahre alt sein!
»Sie wundern sich wahrscheinlich über sein Alter, nicht?« Diesmal konnte es für die Anstaltsleiterin nicht schwer gewesen sein, Darrens Gedanken zu erraten. Sie standen ihm wie mit Leuchtfarbe ins Gesicht geschrieben.
»Unter
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