Der Earl und sein verführerischer Engel (Historical) (German Edition)
darunter, in Rothburne House leben zu müssen, das er eines Tages erben würde. Nach dem Tod seines Vaters würde er dazu verdammt sein, wieder hier zu wohnen, doch er sah keine Notwendigkeit, James Chesterfield weiter zu ertragen, bis dieser Tag gekommen war. Morgen, so versprach er sich, morgen würde er sich um die Angelegenheit kümmern. Sein Leben gehörte ihm, und es kümmerte ihn nicht, was sein Vater von ihm verlangte.
Stephen setzte das Glas ab und dachte an Emily Barrow. In der zarten Hülle verbarg sich eine Frau mit unerschütterlichem Willen – eine gefährliche Frau, die ihm gram war und ihn benutzte, um ihre Nichte und ihren Neffen zu versorgen. So, wie er sie benutzte, um gegen seinen herrschsüchtigen Vater aufzubegehren. Der Gedanke war ernüchternd. Hatte Emily wirklich geglaubt, er würde sie lieben? Warum sollte er eine Frau derart belügen? Die Vorstellung, dass er sich tatsächlich so unehrenhaft verhalten haben könnte, missfiel ihm über die Maßen. Was war nur mit ihm geschehen? Eine steile Falte erschien auf seiner Stirn, als er an das seltsame Puzzle dachte, dessen Teile einfach nicht zusammenpassten.
Er würde Emily nicht aus seinem Leben drängen können, solange er nicht die Antworten hatte.
Wäre Emily im Besitz einer Pistole gewesen – sie hätte sie gegen sich selbst gerichtet.
Seit zwei Tagen saßen sie in einer engen Kutsche zusammengepfercht und hatten nur angehalten, um etwas zu essen oder in einem Gasthaus zu übernachten. Und wie befürchtet, schien Victoria seit dem Aufbruch wild entschlossen, sich die Lunge aus dem Leib zu schreien – Stunde um Stunde. Die Amme Anna tat, was sie konnte, um den Säugling zu beruhigen, aber Victoria wollte einfach nicht aufhören zu weinen.
Und nun war Royce in das Geschrei eingefallen und verlangte lautstark, nach Hause gebracht zu werden. Er drohte sogar damit, fortzulaufen, um seinen Vater zu finden. Stumm zählte Emily bis fünfzig und tröstete sich mit dem Gedanken, dass es nicht mehr weit war nach London. Es hatte zu regnen begonnen, und dicke Tropfen trommelten im Rhythmus der Pferdehufe auf das Dach der Kutsche.
Nachdem Victoria vor Erschöpfung eingeschlafen war und Royce den Kopf auf Emilys Schoß gebettet hatte und so aussah, als würde er ebenfalls jeden Moment einschlummern, kamen die ersten Häuser der Stadt in Sicht. Es wurde bereits dunkel, und als Emily durch das Kutschenfenster spähte, erkannte sie, dass sie an der Themse entlangfuhren, in deren trübem Wasser sich das Licht vereinzelter Gaslaternen spiegelte. Die unvertrauten Gerüche der Metropole erfüllten die Luft und schürten eine tiefsitzende Angst in Emily.
Ich bringe das einfach nicht fertig, dachte sie panisch. Ich kann nicht plötzlich vor der Tür des chesterfieldschen Stadthauses auftauchen und verlangen, meinen Gatten zu sprechen . Doch ihr blieb keine Wahl, denn auf Falkirk waren sie nicht länger in Sicherheit.
Die Kutsche wurde langsamer, dann hielt sie an, und einen Moment später öffnete der Kutscher den Schlag. „Warten Sie hier“, wisperte Emily der Amme zu. Anna nickte und fuhr fort, das Baby im Arm zu wiegen.
Emily konnte nur hoffen und beten, dass Stephen ihnen Schutz gewährte. Es war schon viel zu spät für einen Besuch, und es regnete unaufhörlich. Die beeindruckende Steinfassade der Stadtresidenz der Rothburnes zeichnete sich gegen den mondlosen Himmel ab. Große Fenster reflektierten die gedämpften Lichter der nächtlichen Stadt.
Tapfer ignorierte Emily den Regen und ging zielstrebig auf den Haupteingang zu. Sie betätigte den Klopfer und hielt sich vor Augen, dass sie sich hochmütig wie eine Countess zu verhalten hatte, auch wenn sie sich im Augenblick nicht wie eine fühlte.
Ein Diener öffnete die Tür und musterte sie, als wäre sie eine tote Ratte. Entschlossen hielt Emily dem Blick des Mannes stand. „Treten Sie von der Tür zurück. Ich habe nicht vor, bei diesem Wetter hier draußen stehen zu bleiben.“
Verwirrt blinzelte er. „Der Dienstboteneingang ist auf der Rückseite, Madam.“
„Ich bin wohl kaum eine Dienstbotin.“ Emily machte einen Schritt vorwärts und schob den Lakaien einfach beiseite. „Und wenn meinem Ehemann zu Ohren kommen sollte, wie Sie mich behandeln, können Sie sich auf etwas gefasst machen.“
Der Diener übersah die durchnässte Pelerine, die Emily ihm hinhielt, nachdem sie sie ausgezogen hatte. „Wen soll ich ankündigen?“, fragte er näselnd und machte ein Gesicht, als würde
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