Der Earl und sein verführerischer Engel (Historical) (German Edition)
ihn.“
Emily stand auf. „Ich gehe in die Küche und bitte Miss Deepford, heute Abend dein Lieblingsessen zu kochen.“
„Ich gehe trotzdem nicht“, entgegnete er mit zitternder Stimme.
Sie erwiderte nichts und wandte sich zum Gehen, als sie plötzlich etwas Kleines, Hartes am Rücken traf, das anschließend mit einem Scheppern auf den Boden fiel. Emily sah den Soldaten, den Royce nach ihr geworfen hatte, bückte sich aber nicht, um ihn aufzuheben.
Sie hörte, wie ihr Neffe leise weinte.
Am nächsten Morgen entsandte Stephen Boten in alle Kirchengemeinden entlang der schottischen Grenze. Seine Mutter ging fest davon aus, dass er unverheiratet war, doch er wusste nicht, was er glauben sollte. In gewissen Momenten flackerten schemenhaft Bilder vor seinem inneren Auge auf – von Emily in seinen Armen. Er wusste nicht, ob es Erinnerungen an wirkliche Geschehnisse waren oder nicht. Früher einmal hatte er etwas empfunden für die Frau, die sich hinter der Mauer unüberwindlicher Verachtung verbarg. Trotzdem konnte er nicht glauben, dass er sie geheiratet hatte.
Die Tür zur Bibliothek wurde geöffnet, und sein Vater stand im Durchgang. James Chesterfield, Marquess of Rothburne, trug wie üblich Schwarz. Eine graue Strähne durchzog das dunkle Haar an seinen Schläfen. Er war groß, schlank und durch und durch beseelt von der Überzeugung, von erhabenerer Abstammung als andere Menschen zu sein. Sobald sein Vater einen Raum betrat, gerieten für gewöhnlich sämtliche Anwesenden in den Bann seiner dominanten Ausstrahlung.
Einen Moment lang musterte der Marquess seinen Sohn schweigend. „Würdest du die Güte haben, deine Handlungen zu erklären?“, verlangte er dann ohne Umschweife.
Stephen schluckte den dargereichten Köder nicht. „Freut mich auch, dich wiederzusehen, Vater.“
Keine Begrüßung, kein Zeichen der Zuneigung – häufig hatte Stephen sich gefragt, ob sein Vater überhaupt etwas für seine Kinder empfand. Nach dem Tod von Stephens ältestem Bruder William vor einigen Jahren hatte James so getan, als wäre nichts geschehen. Nie hatte er über die Tragödie gesprochen.
James Chesterfield glaubte an Pflicht und Tradition, und es tat für ihn nichts zur Sache, dass Stephen niemals den Ehrgeiz verspürt hatte, eines Tages selbst einmal den Titel eines Marquess zu tragen. Er war nun einmal der Erbe und hatte die Erwartungen zu erfüllen, die an ihn gestellt wurden.
„Deine Mutter informierte mich, dass du geheiratet hast.“ Unausgesprochen blieben die Worte: ohne meine Erlaubnis .
Stephen vermied es, die Bemerkung seines Vaters zu bestätigen oder zu leugnen. „Die Wahl meiner Ehefrau obliegt allein mir, wie ich meine. Ich benötige deine Erlaubnis nicht.“
„Da irrst du dich aber gewaltig.“ James ging in Positur wie ein militärischer Befehlshaber. „Deine Verantwortung als mein Erbe umfasst auch die Wahl einer geeigneten Frau.“
„Es ist nicht Ungeeignetes an Emily Barrow. Sie ist die Tochter eines Barons.“
„Und ihre Familie ist von Skandalen zerrüttet. Du hättest ebenso gut eine Dienstmagd ehelichen können. Niemand aus der feinen Gesellschaft wird bereit sein, sie zu empfangen.“
Wie zu erwarten, standen für seinen Vater gesellschaftliche Ansprüche an höchster Stelle, und plötzlich erkannte Stephen einen möglichen Grund für seinen Entschluss, ausgerechnet Emily zu heiraten – es war die perfekte Gelegenheit gewesen, sich den väterlichen Wünschen zu widersetzen. James Chesterfield hatte keinen Einfluss auf die Wahl seiner Schwiegertochter gehabt.
„Ist das alles?“ Stephen hielt dem Blick seines Vaters stand.
„Noch nicht ganz. Du sorgst dafür, dass niemand von diesem … Fehltritt erfährt, während ich prüfe, welche Möglichkeiten es gibt, die Ehe zu annullieren. Ich hoffe um deinetwillen, dass ich einen Weg finde.“ Nachdem er seine Anordnungen erteilt hatte, sah der Marquess offenbar keinen weiteren Grund, länger zu verweilen, und ohne ein weiteres Wort verließ er die Bibliothek.
Stephen trat an den Servierwagen mit den Spirituosen und schenkte sich einen Brandy ein. Während er das Glas in den Händen erwärmte, biss er wütend die Zähne zusammen. Der Marquess schien noch nicht begriffen zu haben, dass sein Sohn sich nicht länger Vorschriften machen ließ.
Er trank einen Schluck Brandy und genoss das Gefühl des stillen Trotzes. Ihm wurde bewusst, dass es höchste Zeit war, sich einen eigenen Wohnsitz zu suchen. Zu lange schon litt Stephen
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