Der Earl und sein verführerischer Engel (Historical) (German Edition)
meine, dass wir einander gar nicht kennen. Sie reden ständig davon, eine Ehe zu beenden, die noch nicht einmal begonnen hat.“
Daraufhin schwieg er, dachte offenbar über ihre Worte nach. Emily trat einen Schritt auf ihn zu, bis sie beinahe so dicht wie in einer Umarmung beieinanderstanden. Schließlich nahm er ihre Hand in seine. „Begleiten Sie mich heute Abend. Meine Familie ist zu einem Konzert bei den Yarringtons eingeladen.“
Allein der Gedanke, der feinen Gesellschaft als Countess zu begegnen, brachte sie zum Zittern. Sie konnte unmöglich dorthin gehen, der Marquess und die feinen Damen und Herren würden sie in der Luft zerreißen.
„Ich … ich kann nicht.“ Verzweifelt suchte sie nach einer Ausrede, denn Stephen würde kein Verständnis für ihre Ängste aufbringen. „Es gehört sich nicht für mich, an einem gesellschaftlichen Ereignis teilzunehmen. Immerhin bin ich noch in Trauer.“
„Sie verstecken sich.“
Das stimmte natürlich, aber das würde sie nie zugeben. „Ich mache es aus Respekt vor meinem Bruder.“
„Sie haben ihn lange genug betrauert.“ Stephen zog sie dichter an sich heran und legte ihr die Hände um die Taille. „Wenn Sie unserer Ehe wirklich eine zweite Chance geben wollen, dann können Sie nicht einfach zu Hause bleiben.“
„Ich habe kein Kleid. Alles, was ich besitze, ist schwarz.“
„Ich bestelle eine Abendrobe für Sie und lasse sie herbringen.“
„Aber in so kurzer Zeit kann man unmöglich ein Kleid anfertigen“, protestierte sie. „Keine Näherin der Welt könnte das vollbringen!“
„Mit genügend Geld kann man jedes Kleid umändern lassen. Oder Sie borgen sich eins von meiner Schwester. Hannah besitzt Kleider, die sie nie getragen hat.“
Obwohl das Angebot freundlich gemeint war, würden keine zehn Pferde sie dazu bringen, dieses Konzert zu besuchen. Falls sie jemals beschließen sollte, sich in die Gesellschaft einführen zu lassen, würde sie das zu ihren Bedingungen tun und nicht zu seinen.
Allerdings schien Whitmore nichts von ihren Überlegungen mitzubekommen, denn er tätschelte ihr die Wange und sagte: „Wir sehen uns dann heute Abend.“
6. KAPITEL
Während es durchaus vorkommen kann, dass bei einem Mann Liebe durch den Magen geht, ist das Herz einer Frau eine wesentlich vertracktere Angelegenheit. Ein Rezept für weibliche Glückseligkeit müsste in der Tat mehr zum Inhalt haben als lediglich die Anleitung zum Backen eines Kuchens …
– aus dem Kochbuch der Emily Barrow –
S ehen Sie sich das an, Mylady!“
Ihre Zofe Beatrice trug einen Stapel unterschiedlich großer Schachteln auf den Armen, als sie in den Salon kam, und legte ihre Last auf dem samtbezogenen Kanapee ab. Sie lächelte strahlend. „Seine Lordschaft hat mich angewiesen, Ihnen bei den Vorbereitungen für das Konzert heute Abend beizustehen. Er schickt Ihnen das hier.“
Emily hob den Deckel der obersten Schachtel und hielt den Atem an. Eine Abendrobe aus exquisitem lavendelfarbenem Tarlatan lag auf dem Seidenpapier. Der Rock und das v-förmig zulaufende Mieder waren mit erlesener Brüsseler Spitze verziert und die Ärmel so tief angesetzt, dass sie die Schultern unbedeckt ließen. Als Emily den kostbaren Stoff berührte, musste sie daran denken, wie sie die Kleider ihrer Mutter umgearbeitet und zunächst gekürzt und im Lauf der Jahre immer weiter ausgelassen hatte. Es war lange her, dass sie ein eigens für sie gefertigtes Kleid besessen hatte.
Die Abendrobe in der Schachtel wäre einer Prinzessin würdig gewesen. Trotzdem wurde Emily regelrecht übel bei dem Gedanken, sie in ein paar Stunden auf dem Konzert tragen zu müssen. Sie war nie in die Gesellschaft eingeführt worden und hatte nicht den leisesten Schimmer, wie man sich als Dame in der beau monde verhielt.
Wehmütig lächelnd nahm sie die Deckel von den anderen Schachteln, die Seidenstrümpfe, Unterröcke, Handschuhe und ein Paar Slipper aus feinstem Ziegenleder enthielten. Noch nie hatte Emily derart teure Schuhe besessen. Beinahe ehrfürchtig berührte sie das weiche Material, bevor sie der Versuchung erlag und sie anprobierte. Enttäuscht stellte sie fest, dass sie zu klein waren. Zwar bekam sie ihre Füße hinein, aber die Zehen wurden eingeklemmt. Obwohl das nichts zur Sache tat, denn sie würde nicht an dem Konzert teilnehmen und Stephen noch mehr ihrer Unzulänglichkeiten offenbaren. Der Earl hatte fälschlicherweise angenommen, dass sie sich wandeln könnte, wenn er sie in ein prachtvolles
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