Der Earl und sein verführerischer Engel (Historical) (German Edition)
als du den Ball der Carstairs ohne ein Wort der Entschuldigung verlassen hast?“
„Dem Abend des Balls“, erwiderte Stephen ruhig. „Ich kann mich nicht erinnern, was geschehen ist, als ich mich auf die Suche nach Hollingford begeben habe. Hast du nach meinem Verschwinden etwas darüber gehört?“
„Nein. Außerdem interessiere ich mich nicht für die Gründe, die dich dazu veranlasst haben, dich vor deiner Verantwortung zu drücken.“
„Man hat versucht, mich zu ermorden.“ Stephen hielt dem Blick seines Vaters stand. „Und falls du mir nicht dabei hilfst aufzuklären, was in jener Nacht geschehen ist, könnte man es wieder versuchen.“
Das glaubte James nicht. Vielmehr vermutete er, dass sein Sohn das Opfer von Dieben geworden war. „Übertreibung steht dir nicht gut zu Gesicht.“
Darauf zog Stephen sein Hemd aus dem Hosenbund und enthüllte die Narbe auf seiner Brust. „Sieht das etwa nach Übertreibung aus?“
Der Anblick der hässlichen roten Schramme verschlug James die Sprache, und als Stephen fortfuhr, Vermutungen über den Verlauf der Ereignisse aufzustellen, und von Gefahr sprach, war James wie betäubt. Er konnte an nichts anderes denken als daran, dass jemand versuchte, ihm noch einen Sohn zu nehmen. Wie immer, verspürte er bei dem Gedanken an den Verlust seines erstgeborenen Sohnes William eine tiefe Leere. Ein Vater sollte seinen Sohn nicht überleben.
Obwohl Stephen sich Mühe gab, die Position des Erben auszufüllen, stand James seinem rebellischen zweiten Sohn nicht wirklich nahe. Beinahe wünschte er, Stephen wäre damals an Williams Stelle gestorben, und es wäre sein Ältester, der hier vor ihm stand. Mühsam zwang er seine Gedanken wieder in die Gegenwart.
„Ich habe vor, ihm eine Falle zu stellen, damit er sich zu erkennen gibt“, hörte er Stephen sagen. „Dabei brauche ich deine Hilfe. Und“, fügte er ernst hinzu, „ich erwarte, dass du dich nicht in meine Ehe einmischst. Ich habe auch so schon genügend Sorgen und möchte mir nicht noch Gedanken darüber machen müssen, was du Emily antun könntest.“
James klappte den Deckel seines bronzenen Tintenfasses zu. „Was willst du wissen?“
„Erzähl mir von den Geschäften, die ich mit ihrem Bruder gemacht habe. Ich erinnere mich nur vage an Hollingford. Ich weiß kaum etwas über ihn, außer dass er dem Spiel sehr zugetan war.“
Hollingford war ein verzweifelter Mann gewesen, der die meiste Zeit am Spieltisch verbracht hatte, statt sich um seine Ländereien zu kümmern. „Der Mann war am Ende“, antwortete James abfällig. „Es war beschämend, wie er jeden Penny verspielt hat.“
„Schuldete er mir Geld?“, fragte Stephen.
„Falls du ihm jemals etwas geliehen haben solltest, dann muss es aus Nächstenliebe geschehen sein. Hollingford hat seine Schulden nie beglichen.“
„Ich muss ihn also aus der Deckung locken“, murmelte Stephen halb zu sich selbst.
„Wen?“, fragte James. Offensichtlich sprach sein Sohn nicht von Hollingford, der immerhin tot und beerdigt war.
„Den Mann, der versucht hat, mich umzubringen.“
James atmete tief aus und verkniff es sich, seinem Sohn zu widersprechen. „Was hast du vor?“
„Ich möchte einen Ball ausrichten und all unsere Bekannten einladen“, antwortete Stephen und fügte mit verbissener Miene hinzu: „Falls jemand vorhat, mich umzubringen, so soll er wissen, dass ich wieder in London bin.“
Die Vorgehensweise mochte James nicht gefallen, doch sie würde ihren Zweck erfüllen. „Und was, wenn er es wieder versucht?“
„Dann bin ich vorbereitet.“
In den letzten drei Tagen war ihr Ehemann eigentümlich zerstreut gewesen, und Emily fragte sich, ob er das Interesse daran verloren hatte, ihr den Hof zu machen. Allmählich begann sie, sich deswegen Sorgen zu machen, und hätte gern etwas unternommen, um die Stimmung zwischen ihnen zu verbessern. Doch die Furcht vor einer Zurückweisung hielt sie davon ab.
Manchmal wachte sie mitten in der Nacht auf und tastete mit der Hand über die andere Seite des Bettes, die kalt und leer war. Die Verbindungstür zwischen ihren Schlafzimmern hätte ebenso gut zugemauert sein können.
Am Nachmittag des dritten Tages war Emily so angespannt, dass sie eine Ablenkung brauchte, weswegen sie sich in die Küche zurückzog. Der Duft von frisch gebackenem Brot, der im Raum hing, half ihr, sich zu beruhigen.
Nachdem sie die Bediensteten fortgescheucht hatte, begann sie, die Zutaten für einen Rührkuchen in eine
Weitere Kostenlose Bücher