Der Earl und sein verführerischer Engel (Historical) (German Edition)
fühlte sich tatsächlich so weich an, wie er vermutet hatte.
„Das Testament ist rechtens, Emily. Und falls wir uns um die Vormundschaft bemühen wollen, müssen wir uns an das Protokoll halten. Es ist unserer Sache sicher nicht förderlich, wenn wir etwas Ungesetzliches tun.“
„Aber Nigel hat die Kinder doch noch nie gesehen!“ Trotzig verschränkte Emily die Arme vor der Brust und wandte sich um. „Er kennt sie nicht, wie ich sie kenne. Nach dem Tod ihrer Eltern bin ich alles, was sie haben.“
„Nein, das stimmt nicht“, entgegnete er. „Sie haben auch mich. Ich habe versprochen, sie zu beschützen.“
Warum sah sie nicht, dass auch er ein Teil ihres Lebens geworden war? „Ich finde, wir sollten die Kinder gemeinsam zu deinem Onkel bringen.“ Er schlang die Arme um ihre Taille und zog sie an sich. „Und wenn dir dort irgendetwas missfällt, reisen wir sofort wieder ab.“
„Wir bringen die Kinder nirgendwo hin. Sie bleiben hier, wo sie hingehören.“
„Möchtest du gegen das Gesetz verstoßen?“ In dem Versuch, sie aufzuheitern, küsste er sie auf die Schulter. „Komm mit, Emily, und mach dir persönlich ein Bild von Nigel.“
„Nein. Weder ich noch die Kinder werden Falkirk verlassen.“
„Du machst dich lächerlich. Hast du noch gar nicht daran gedacht, dass ihr bei deinem Onkel in Sicherheit seid? Als ich das letzte Mal in London war, hat man dich hier überfallen. Meine Feinde wissen, wo wir uns aufhalten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bevor sie uns finden.“
„Ich will nicht zu ihm“, erwiderte Emily störrisch. „Nigel hat nie etwas für uns getan, als wir in Schwierigkeiten gerieten und das Anwesen kaum noch halten konnten. Warum sollte er uns ausgerechnet jetzt helfen wollen?“
„Er ist alt, Emily. Er hat zugegeben, dass er seine Versäumnisse wiedergutmachen will.“
„Ich will ihn trotzdem nicht sehen. Und ich will auch nicht, dass du die Kinder hinbringst.“
„Aber das Testament …“
„Zur Hölle mit dem Testament! Wenn du versuchst, sie mir wegzunehmen, werde ich dich aufhalten.“
„Wie? Indem du die Kutsche beschädigst?“ Stephen bereute seine ironische Bemerkung, kaum dass sie ihm entschlüpft war. Er fürchtete, Emily damit auf eine Idee gebracht zu haben.
„Ich werde tun, was immer notwendig ist.“
Emily war so wütend, dass sie kaum Luft bekam. Wenn Stephen glaubte, er könne ihr die Kinder wegnehmen, hatte er sich gründlich geirrt. Sie lief in ihrem Zimmer auf und ab und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Was konnte sie tun? Die Kutsche beschädigen war jedenfalls keine Lösung. Das Letzte, was sie wollte, war, für einen Unfall verantwortlich zu sein, bei dem den Kindern etwas passierte.
Im Spiegel erhaschte sie einen flüchtigen Blick auf sich selbst. Sie war blass, und ihr Gesicht wirkte abgezehrt. Das Haar hing ihr glanzlos über die Schultern und brauchte dringend Pflege. Erschrocken hob sie die Hände an die Wangen, als ihr bewusst wurde, dass ihr Anblick jeden Mann in die Flucht schlagen würde. Sie sah einfach schauderhaft aus.
Nachdem sie ein paar vergessene Haarnadeln entfernt hatte, begann sie, ihr Haar zu bürsten. Ihr Verstand arbeitete fieberhaft. Irgendwie musste sie Stephen davon abhalten, das Haus zu verlassen. Denn wenn er blieb, blieben auch die Kinder.
Ob er seine Meinung ändern würde, wenn sie ihn verführte? Sie wusste, dass eine Frau mit dem geschickten Einsatz ihrer Reize durchaus Macht über einen Mann ausüben konnte. Doch als sie an sich heruntersah, kamen ihr Zweifel, ob das, was sie zu bieten hatte, genügte.
Ganz auszuschließen war es indes nicht. Bei dem Gedanken begann ihre Haut verräterisch zu prickeln.
Sie hüllte sich in ihren Morgenrock und eilte hinunter in die Küche. Die Spülmägde schliefen in der angrenzenden Kammer, und Emily versuchte, sie nicht zu wecken, als sie das Herdfeuer schürte, um sich eine Kanne Tee zu bereiten. Der Geruch von Kohle hing in der Luft und vermischte sich mit den schwachen Essensdünsten vom gestrigen Dinner. Auf dem großen Holzbrett waren zahllose frische Messereinschnitte zu sehen, wahrscheinlich von dem Gemüse, das am Abend zuvor darauf zerkleinert worden war.
Während sie ihre kalten Füße in die Nähe der Ofentür hielt, damit sie warm wurden, kam ihr ein Gedanke. Zwar blieb ihr nicht viel Zeit, aber vielleicht würde es klappen.
Sie zog eine Schublade auf und suchte nach dem schärfsten Messer, das sie finden konnte. Es würde nicht einfach
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