Der Eden Effekt
die Arme um die Lehne geschlungen. Der Mann mit dem dicken grauen Haar und den markanten Gesichtszügen verzog keine Miene, als er fragte: »Kommt er?«
Mark zuckte mit den Schultern. Er hatte wahnsinnige Angst. »Ich ... ich weiß es nicht. Er schien misstrauisch zu sein.«
»Er wird kommen«, versicherte Li den Männern. »So wie ich ihn einschätze.«
Mark rieb sich übers Gesicht und schaute sich in dem winzigen Raum um, der nur mit einem Bett, einem kleinen Tisch und einem Stuhl ausgestattet war. Die knallrot gestrichenen Wände und die roten Leuchtstoffröhren verliehen der Einrichtung eine schrille Note. Der Duft von Parfum lag in der Luft, und zu Marks Bestürzung hingen an allen vier Ecken des billigen Bettrahmens Seile mit Schlaufen an den Enden.
Garibaldi bemerkte seinen Blick. »Das ist das Bett einer Hure«, erklärte er ihm. »Es gibt kaum einen Ort, an dem man weniger auffällt als in einem Bordell, nicht wahr? Die Anwohner sind es gewohnt, dass Männer zu jeder Tages- und Nachtzeit durch diese Tür huschen.«
Mark atmete tief ein und hoffte, dass sich sein Herzschlag wieder normalisierte. Nach seiner Ankunft war er gefesselt und geknebelt worden und hatte jedes Zeitgefühl verloren, als er dort in der Dunkelheit gesessen hatte. Er hatte keine Ahnung, wo er war, und wusste nicht einmal, ob er sich noch in Deutschland aufhielt.
Ab und zu hörte er leise Musik, Lachen und Stimmen. Manchmal gingen draußen auf dem Gang hinter der verschlossenen Tür Leute vorbei, die leise miteinander sprachen.
»Kommen Sie«, sagte Garibaldi und quälte sich von seinem Stuhl. Wegen seines steifen Beines war das Aufstehen immer eine Tortur für ihn. »Es wartet jemand auf Sie.«
Li beugte sich vor und schaute Mark mit ihren dunklen Augen an, als sie ein Messer aufklappte und die Fesseln an seinen Hand- und Fußgelenken durchschnitt. »Tut mir leid«, flüsterte sie.
Mark versuchte ihre Gedanken zu lesen, doch es gelang ihm nicht.
Er stand auf, schwankte ein wenig, als das Blut wieder richtig durch seine Adern floss, und folgte Garibaldi auf einen üppig dekorierten Gang. Indirektes rotes Licht spiegelte sich auf der Folientapete mit den riesigen roten Rosen. Trotz der parfümierten Luft war der schwache Duft von Marihuana deutlich wahrnehmbar.
Garibaldi und Li nahmen Mark in die Mitte und gingen an geschlossenen Türen vorbei den Korridor hinunter. Eine Tür war geöffnet. Mark warf einen Blick hinein und sah zwei blutjunge Frauen in aufreizenden Dessous nebeneinander auf dem Bett sitzen. Sie rauchten Zigaretten und starrten ihn an. Mark schätzte sie nicht älter als zwanzig. Ihr Blick war abweisend und verlor sich in der Ferne.
Am Ende des Ganges zog Garibaldi einen Schlüssel aus der Tasche und öffnete ein Vorhängeschloss. Auf einer Tastatur an der Wand gab er einen Code ein, worauf die Tür aufsprang.
Mark wurde auf einen Treppenabsatz gestoßen, von dem eine Treppe nach unten führte.
Garibaldi humpelte die Stufen hinunter, öffnete ein zweites Vorhängeschloss und gab wieder einen Code ein. »Zweifach gesichert«, sagte er. »Wir wollten nicht, dass irgendjemand aus dem Keller an die Tür oben gelangen kann. Das hätte zu unangenehmen Fragen führen können.«
Mark, der sich vor dem fürchtete, was er hinter der letzten Tür finden würde, biss sich auf die Lippe.
Als die Tür aufschwang, trat Garibaldi zurück und bedeutete Mark einzutreten. »Sie möchten sicher allein sein.«
Mark warf dem Mann einen Seitenblick zu und fragte sich, was passieren würde, wenn er ihm gegen das steife Bein trat.
Michelle würde ihm mit Sicherheit den Bauch mit ihrem Messer aufschlitzen. Sie war auf dem Weg in den Keller immer dicht hinter ihm geblieben und hatte ihn nicht aus den Augen gelassen.
Mit klopfendem Herzen betrat Mark den dunklen Raum. Garibaldi schaltete das Licht ein und schlug die Tür zu.
Mark wirbelte herum und rüttelte verzweifelt am Türknauf, doch die Tür ließ sich nicht öffnen. Mutlos schlug er mit der flachen Hand gegen die Stahltür. Die leisen Schritte verhallten in der Ferne.
Er schaute sich um. Betonwände, dunkle, mit Spinnweben überzogene Balken an der Decke. Hier und da waren Kisten aufgestapelt, und an der hinteren Wand standen ein paar alte Betten.
Es roch muffig. Ein Betonboden mit einem Abfluss in der Mitte. Rohre verliefen parallel zu den beiden Neonröhren an der Decke.
Als Mark bemerkte, dass sich auf einem der Betten jemand bewegte, drehte er sich um und erkannte ein
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