Der Eden Effekt
die seinen Unterkörper bis zum Po bedeckte.
Anikas Blick wanderte über den Kleiderhaufen auf dem Boden: Hemd, Unterhemd, Krawatte, Hose, und ganz oben lag ein Herrenslip.
Kein Wunder, dass ich auf der Couch geschlafen habe.
Die Erinnerung an seine flehenden blauen Augen, das betörende Lächeln und seine klammernden Hände kehrte zurück. »Komm schon, Anika! Wir haben etwas zu feiern! Du hast etwas zu feiern!«
»Ja, stimmt«, hatte sie erwidert. »Und für einen Professor bist du kein sehr cleverer Mann. Ach übrigens ... wo sind denn Denise und die Kinder heute?«
»In Denver. Und es ist ja nicht so, als ob wir nie ...«
»Die Antwort lautet nein. Du bist verheiratet.«
Er zögerte. »Und wenn ich es nicht wäre?«
»Darüber haben wir schon tausendmal gesprochen.«
»Du bist nicht mehr meine Studentin. Jetzt bist du Doktor French .«
»Mark, die Antwort lautet nein.«
»Und wenn ich dir etwas Wichtiges zu sagen hätte?«
»Was? Dass du dich scheiden lässt? Das hab ich doch schon mal gehört.«
»Nein, etwas wirklich Wichtiges.«
Sie sah das Leuchten in seinen Augen. Diesen triumphierenden Blick kannte sie und wusste, dass er eine Enthüllung ankündigte, von der er glaubte, sie würde sie umhauen. Das letzte Mal hatte er so gestrahlt, als er zum Institutsleiter ernannt worden war.
»Anika, heute ist etwas Wichtiges passiert.«
»Stimmt. Ich habe erfolgreich meine Dissertation verteidigt. Oder glaubst du, ich habe nur aus einer Laune heraus den ganzen Fachbereich Anthropologie zu mir eingeladen?«
»Es ist noch besser. Besser, als du dir vorstellen kannst. Die letzte Hürde zu deinem Doktortitel ist nur noch ein Kinderspiel.«
»Was?«
Das Strahlen in seinen Augen wurde stärker. »Ich sage es dir, nachdem wir miteinander geschlafen haben.«
»Dann nimmst du das Geheimnis mit ins Grab.«
Er glaubte ihr nicht. »Komm schon! Es ist deine Zukunft. Unsere Zukunft.«
Er versuchte sie ins Schlafzimmer zu ziehen, doch sie schüttelte seine Hand ab. »Okay, geh schon mal vor. Wenn ich nicht da bin, fang ohne mich an.«
Ihre Stimme klang bitter, aber er war betrunken und so begeistert von seinem großen Geheimnis, dass er es gar nicht bemerkte.
Anika sah ihm nach, als er in Richtung Schlafzimmer schlurfte. Sie überlegte, ob sie ihre Handtasche nehmen und die Wohnung verlassen sollte, doch sie hatte zu viel getrunken.
Angewidert schaute sie noch einmal auf das Party-Chaos und kam zu dem Schluss, dass es zu groß war, um es jetzt zu beseitigen. Dann schaltete sie das Licht aus und warf sich auf die Couch.
Die Morgensonne schien durchs Fenster, als sie auf den schlafenden Mann schaute. »Und was jetzt?«
Anika ging zum Schrank, nahm ein paar Kleidungsstücke heraus, warf sie in eine Tasche und verließ auf Zehenspitzen das Zimmer.
Besser, als ich es mir vorstellen kann? Dieser Gedanke ließ Anika nicht los. Sie saß im Büro im ersten Stock an ihrem Schreibtisch. In dem Gebäude der Anthropologie herrschte an diesem Morgen Ruhe. Sie trank einen Schluck Kaffee und fürchtete sich vor dem Koffeinschub. Warum hatte Mark sich so verdammt rätselhaft ausgedrückt? Hatte er nicht gesagt, dass es etwas wirklich Wichtiges war?
Anika starrte auf die Diagramme und Tabellen, die an der Wand ihres Büros hingen. Die Unmenge an Daten – die Grundlage des Modells, ihres Modells – stach auf dem weißen Papier hervor. Jeder Datengruppe war eine statistische Formel zugeordnet.
Es sah gar nicht so großartig aus, und für Uneingeweihte wie ihren nüchternen Vater stellte es vermutlich nur ein Chaos aus Zahlen und Mathematik dar.
Anika lächelte bei dem Gedanken und erinnerte sich an das Telefonat gestern nach der Verteidigung. Sie hatte ihren Dad angerufen und ihm gesagt, dass sie die Verteidigung bestanden hatte.
»Ich freue mich, mein Schatz. Dann bist du jetzt eine Doktorin?«
»So gut wie. Es müssen noch ein paar Formulare ausgefüllt und meine Dissertation muss gedruckt und gebunden werden. Du bekommst auch ein Exemplar.«
»Wozu, mein Engel? Das wäre für mich nur das reinste Chinesisch. Und wann ist die Abschlussfeier?«
Er wurde »Red« French genannt. Diesen Spitznamen hatte er schon, seitdem er bei den Marines als Rekrut angefangen hatte. In Anikas Leben war ihr Vater, ein Berufssoldat, größtenteils abwesend gewesen. Bis zu dem Unfall.
»Du sagst mir das Datum, mein Schatz. Ich werde da sein, damit ich sehen kann, wie du die Urkunde ausgehändigt bekommst.«
»Das ist nur in der
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