Der Eden Effekt
die Hand. Man könnte meinen, Sie hätten Ihr ganzes Leben nichts anderes gemacht.«
»Ich habe nie darüber nachgedacht.« Maureen zuckte mit den Schultern. »Irgendwann nach den Ereignissen in New Mexico hat es sich so ergeben. Nach Afghanistan und dem Irak. Dann die White Star und alles, was folgte ... Ich glaube, Menschen ändern sich.«
»Viele von uns schauen zu Ihnen auf. Es ist fast so, als wären Sie die neue Margaret Mead.«
»Oh Gott, ich hoffe nicht! Maggie war nicht gerade das, was man unter einem normalen oder ausgeglichenen Menschen versteht. Außerdem bin ich viel größer.«
Anika lächelte kurz, doch dann wurde sie sofort wieder ernst. »Ich mache mir große Sorgen um Denise und die beiden Jungen.«
»Erzählen Sie mir etwas über Mark Schott.«
Anika lachte freudlos. »Wie soll ich Mark beschreiben? Er ist unheimlich clever und steckt voller Energie. Im Gegensatz zu vielen anderen Professoren fasziniert ihn die Anthropologie noch immer. Er hält mitreißende Vorträge. Er ist ein Experte auf seinem Gebiet, und er kennt die meisten einflussreichen Leute. Aber ...«
»Aber er hat Ihre Arbeit veröffentlicht und es nicht für nötig befunden, es Ihnen zu sagen?«
»Ja, er ist verdammt ehrgeizig. Er konnte es kaum erwarten, Institutsleiter zu werden. Ich habe erst am Montag von dem Job bei ECSITE erfahren, und am Donnerstag sitzt er im Flugzeug und fliegt nach München.« Anika sah aus dem Fenster. »Irgendwie hat er alle im Stich gelassen.«
»Sie mögen ihn noch immer?«
Anika strich sich durchs Haar. »Ich weiß nicht, was ich von ihm halten soll. Er war mein Professor, und ich habe viel bei ihm gelernt. Er hat mich angespornt und meine Forschung unterstützt. Ich habe ihm viel zu verdanken. Jetzt habe ich aber das Gefühl, alles, was er in Wyoming gemacht hat, wäre nur ein Sprungbrett für ihn gewesen.«
»Sie haben mir schon etwas von seinem Deal erzählt. Wenn man bedenkt, was ECSITE der Universität zahlt, kann man sich gut vorstellen, dass er wahrscheinlich bedeutend mehr bekommt.«
»Mit Sicherheit. Sein Ziel war es, einen Lehrstuhl für Anthropologie in Harvard zu haben, wenn er irgendwann emeritiert wird. Ich schätze, er hat etwas Besseres gefunden.«
»Und etwas viel Gefährlicheres.« Maureen nahm die Dissertation in die Hand und blätterte sie durch.
Anika war sichtlich beunruhigt. »Ich wünschte, ich hätte mich niemals damit beschäftigt.«
»Ach, Anika, wenn Sie es nicht gewesen wären, hätte jemand anders es herausgefunden. Wissen ist wie Feuer. Ohne es wären unsere Vorfahren wie die robusten Australopithecina ausgestorben. Und mit Feuer können wir die Städte all jener, die wir nicht mögen, niederbrennen. Vorausgesetzt, wir verbrennen uns dabei nicht selbst.«
»Es ist nur ein Modell.«
»Ein beschreibendes Modell, das denjenigen Macht verleiht, die wissen, wie man es anwenden muss. Ein Investmentunternehmen, sagten Sie? Wie wertvoll könnte Ihr Modell für Investmentbanker sein? Was würde es jemandem einbringen, die Daten eines bestimmten Landes einzugeben und zu erfahren, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass es in den nächsten fünf Jahren zusammenbricht? Oder welchen Wert hätte es, in der Lage zu sein, soziale Unruhen, Missernten oder einen Regimewechsel vorherzusagen?«
»Milliarden«, flüsterte Anika.
Maureen betrachtete die ausgefeilten Statistiken, die sie nicht nachvollziehen konnte. »Hätte ECSITE einen Grund, die Unterlagen aus Ihrem Büro zu stehlen? Oder Denise und die Kinder zu entführen?«
»Wahrscheinlich nicht. Sie hätten nur zu fragen brauchen. Schließlich arbeiten wir ja für das Unternehmen. Verdammt! Wenn sie Denise und die Jungen entführt hätten, würde das Mark nicht gerade inspirieren, ihnen zu helfen. Er wird außer sich sein, wenn er hört, dass sie verschwunden sind.«
»Wahrscheinlich wurden sie entführt, um als Druckmittel zu dienen.«
Anika biss sich auf die Lippe, als sie darüber nachdachte. »ECSITE hätte darauf bestehen können, dass sie Mark begleitet. Glauben Sie mir, Denise ist keine komplizierte Frau. Man braucht ihr nur Geld anzubieten, und schon ist sie mit von der Partie.«
»Vielleicht war es auch nicht ECSITE«, überlegte Maureen laut, »sondern ein Konkurrent. Es geht nicht darum, Mark zu größeren Leistungen anzuspornen, sondern genau das Gegenteil ist der Fall. Verlassen Sie ECSITE, oder Sie sehen Ihre Familie nie wieder.«
Anika kniff die Augen zusammen und dachte angestrengt nach. Dann
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