Der Eden Effekt
keine neuen Erkenntnisse über Denise Schott und die beiden Jungen. Das FBI setzte die Ermittlungen fort. Doch unabhängig von dem, was in Laramie geschah, verlangte das Außenministerium, dass Anika French am kommenden Morgen um acht Uhr in Washington zu sein hatte.
Maureen rieb sich die müden Augen. Die Ereignisse überschlugen sich, und sie versuchte zu begreifen, was alles geschehen war. Anika hatte kaum Zeit gehabt, um zu packen. Aus Sicherheitsgründen wartete vor ihrer Wohnung ein Polizist aus Laramie auf sie. Erst nach einer gründlichen Durchsuchung der Wohnung durfte Anika ihre Aufzeichnungen holen und eine Tasche packen. Dann schloss sie die Tür und wurde zu dem kleinen Flughafen in Laramie begleitet.
Jetzt flog die Gulfstream durch die Nacht Richtung Osten. Durch das Fenster sah Maureen einzelne Städte. Ihre wachsende Anzahl und Größe verrieten ihr, dass sie Ostnebraska überflogen. Die Städte lagen hier enger zusammen und deuteten auf eine größere Bevölkerungsdichte hin.
»Gibt es etwas Neues?«, fragte Anika, die ihr gegenübersaß. Sie hatte den Sitz zurückgestellt, die Beine ausgestreckt und die Arme verschränkt. Man sah ihr an, dass sie auf einer Ranch aufgewachsen war. Ihr rotes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und sie trug ihre beste Alltagskleidung: eine taillierte weiße Bluse im Westernlook, eine neue, enge Wrangler-Jeans mit einem verzierten Ledergürtel, der ihre schmale Taille betonte, und spitze Cowboystiefel mit Absatz.
Wie viele Doktoranden mit einem schmalen Budget verfügte Anika nur über eine dürftige Garderobe. Die junge Frau hatte die einzigen beiden Röcke, die sie besaß, ein paar Blusen und ihren einzigen Blazer für die Reise nach Washington eingepackt. Ein Paar Schuhe, Unterwäsche, Seidenstrümpfe und ein Kulturbeutel waren ebenfalls in dem alten, abgenutzten Koffer gelandet.
Maureen musterte Anika. Die junge Frau sah furchtbar abgespannt aus, und ihre Augen waren geschwollen. Die Körperhaltung verriet, wie erschöpft und beunruhigt sie war.
»Die Kriminaltechniker des FBI haben die Spurensicherung in Ihrem Büro abgeschlossen. Es gibt keine Hinweise auf einen Einbruch. Entweder hatten sie einen Schlüssel, oder sie haben das Schloss professionell geöffnet. Die Einbrecher, die Ihre Sachen gestohlen haben, haben keinen einzigen Fingerabdruck hinterlassen. Als Nächstes nimmt das FBI Denise’ Haus unter die Lupe. Alle Kriminalbehörden aus Wyoming und Nordcolorado beteiligen sich an der Suche nach Denise und ihren Kindern.«
»Ich weiß, wie so etwas abläuft. Ich bin die Tochter eines Sheriffs.« Anika richtete sich auf. »Oh mein Gott! Dad! Davon hört er morgen früh als Erstes. Er kennt Denise’ Namen und wird sich furchtbar aufregen.«
»Rufen Sie ihn sofort an, wenn wir landen. Am besten sagen Sie ihm ...«
»Die Wahrheit, Dr. Cole. Er ist mein Vater. Ich kann ihm nicht irgendwelchen Mist erzählen.« Sie lächelte verhalten. »Das durchschaut er sofort. Nachdem er wieder zu Hause war, hat er mir nichts durchgehen lassen. Er wird sich wahnsinnige Sorgen machen.«
»Also, zuerst einmal nennen Sie mich bitte Maureen. Zweitens wird es Einschränkungen geben, was Sie wem sagen dürfen. Soviel ich weiß, ist Ihr Modell gerade in jenes schwarze Loch gefallen, das sie nationale Sicherheit nennen.«
»Das ist alles wie ein Albtraum. Zwei Jahre lang habe ich mich von früh bis spät mit diesem Projekt beschäftigt. Verstehen Sie das? Das ist meine Zukunft. Ein echter Beitrag zur anthropologischen Theorie.« Anika schloss kurz die Augen und war sichtlich niedergeschlagen. »Jetzt werden Menschen vermisst. Mark hat meine Arbeit unter seinem Namen veröffentlicht. Das Modell wurde gestohlen, und meine Arbeit wird als streng geheim eingestuft?«
»Wir haben noch die Dissertation. Agent Salazar kontaktiert Ihre Gutachter. Die meisten Kopien Ihrer Doktorarbeit hat er schon sichergestellt. Sogar das Exemplar aus der Druckerei. Bis auf das Exemplar von Mark scheinen alle vorzuliegen.«
»Plötzlich hört es sich gar nicht mehr so schlecht an, zu der großen Gruppe unbekannter promovierter Hochschulabsolventen zu gehören, die verzweifelt einen Job suchen.«
»Kann ich mir vorstellen.«
Anika musterte sie. »Wie schaffen Sie es, so ruhig zu bleiben?«
Maureen lehnte sich zurück und legte eine Hand auf die Dissertation, die auf dem Sitz neben ihr lag. »Ruhig?«
»Mich macht das alles hier total fertig. Aber Sie nehmen einfach alles in
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