Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ego-Tunnel

Der Ego-Tunnel

Titel: Der Ego-Tunnel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Metzinger
Vom Netzwerk:
auf sie fixiert. Wenn ich das jetzt tue, werde ich die schnellen Augenbewegungen in meinem physischen Körper unterbrechen und so auch den Traumzustand in meinem physischen Gehirn beenden. Ich werde im Wachtunnel aufwachen. Ihr werdet einfach aufhören zu existieren. Wollt ihr, dass ich es euch zeige?« Sie bemerken, dass Sie einen etwas triumphierenden Ton in der Stimme haben, aber auch, dass die Belustigung in den Augen der anderen Wissenschaftler und Philosophen bereits in Mitleid umgeschlagen ist. Der arrogante Doktorand platzt schon wieder heraus: »Aber sehen Sie denn nicht, dass ein einfacher Rückfall in das, was Sie ›aufwachen‹ nennen, niemandem irgendetwas beweist? Sie müssen die Wahrheit Ihrer ontologischen Annahmen dieser Wissenschaftlergemeinschaft demonstrieren, auf dieser Ebene der Wirklichkeit. Sie können die Frage nicht entscheiden, indem Sie einfach sich selbst zu einer virtuellen Person degradieren und von unserer Ebene verschwinden. Indem Sie einfach aufwachen, werden Sie nichts Neues in Erfahrung bringen. Und Sie können dadurch auch überhaupt nichts beweisen – uns ganz bestimmt nicht, aber auch nichtsich selbst. Wenn Sie sich wirklich blamieren wollen, dann erniedrigen Sie sich ruhig, indem Sie einfach in das Wurmloch Ihres Wachlebens verschwinden, nur zu! Aber ernsthafte Bewusstseinsforschung und ernsthafte philosophische Wissenschaftstheorie sind etwas ganz anderes!«
    Wie hätten Sie reagiert? Wenn ich an diesem Punkt nicht die richtige Entscheidung getroffen hätte, wäre dieses Buch vielleicht niemals fertig geworden. Darum soll es auch erst mal genug sein mit der Tunnel-Erkenntnistheorie.

Kapitel 5 Anhang
DAS TRÄUMENDE SELBST
Ein Gespräch mit Allan Hobson

    Allan Hobson ist Professor für Psychiatrie an der Harvard Medical School, wo er das Labor für Neurophysiologie gründete, um die neurophysiologischen Grundlagen des Träumens zu erforschen.
    In Zusammenarbeit mit Dr. Robert McCarley entwickelte Hobson das Modell der gegenseitigen Wechselwirkung, wonach der REM ( rapid eye movement )-Schlaf durch Mechanismen im Hirnstamm erzeugt wird, die Acetylcholin (als Neurotransmitter) enthalten, und die Aktivierungs-Synthese-Theorie, die Träumen auf eine automatische Hirnaktivierung und die Synthese chaotischer innerer Signale im Schlaf zurückführt. Im Verlauf seiner umfangreichen Experimente mit Versuchspersonen im Schlaflabor erfand Hobson die »Nightcap-Methode heimgestützter Schlafaufzeichnung« und verwendete diese Methode in Zusammenarbeit mit Robert Stickgold, um das charakteristische Profil von Bewusstseinszuständen über 24-Stunden-Zeiträume zu beschreiben. Hobson und Stickgold konzipierten auch eine neue Methode zur Erforschung von Auswirkungen des Schlafs auf Lernvorgänge.
    In jüngster Zeit hat Hobson seine Ideen und Befunde mit neuen Daten aus Studien mit Hilfe der Positronen-Emissionstomograpie und aus Studien über die Auswirkungen von Hirnschädigungen auf den menschlichen Schlaf zu einem allgemeinen Modell zustandsabhängigerAspekte des Bewusstseins zusammengefasst. Dieses »AIM« genannte neue Modell bildet drei Dimensionen ab  – Aktivierung (A), das sogenannte Input-Output-Gating (die Fähigkeit, sowohl Eingaben als auch Ausgaben auszublenden beziehungsweise zu unterdrücken) (I) und chemische Modulation (M) –, um einen Zustandsraum zu definieren, den das Gehirn im Wachzustand, im Schlaf und im Traum in einer Endlosschleife durchläuft.
    Hobson ist Verfasser zahlreicher Bücher, unter anderem The Dreaming Brain (1989), Sleep (1995), Consciousness (1999), Dreaming as Delirium: How the Brain Goes Out of Its Mind (1999), The Dream Drugstore (2001), Out of Its Mind: Psychiatry in Crisis (2001) und 13 Dreams Freud Never Had: The New Mind Science (2004).
     
    Metzinger : Was ist eigentlich das Besondere am Bewusstsein im Traumzustand, verglichen mit dem Bewusstsein im Wachzustand und im Nicht-REM-Schlaf?
    Hobson : Das Traumbewusstsein ist intensiver, starrsinniger und eingleisiger, aber auch schwerer von seinem Ziel abzubringen, es ist kunstvoller und bizarrer als das Wachbewusstsein. Daher kann man es mit Fug und Recht als den stärksten autokreativen Zustand des Gehirns/Geistes betrachten. Es ist überdies derjenige Zustand des normalen Bewusstseins, der einer Psychose am meisten ähnelt. Weil die dabei ablaufenden neurobiologischen Prozesse weitgehend bekannt sind, bietet die Erforschung des Traumbewusstseins eine einzigartige wissenschaftliche

Weitere Kostenlose Bücher