Der Ego-Tunnel
Netze für den Spracherwerb oder jene, mit denen Bewusstseinsforscher wie Axel Cleeremans in der Forschungseinheit für Kognitionswissenschaft an der Freien Universität Brüssel die metarepräsentationale Struktur des Bewusstseins und das, was er dessen »komputationalen Korrelate« nennt, modellieren. 2 Auch die beiden zuletzt genannten Beispiele sind biomorphe und nur halb künstliche Informationsverarbeitungssysteme, weil ihre grundlegende funktionale Architektur von der Natur abgekupfert ist und Verarbeitungsmuster verwendet, die sich im Verlauf der Evolution des Lebens auf unserem Planeten von selbst entwickelt haben. Sie erzeugen Zustände »höherer Ordnung«, und trotzdem sind diese Zustände nicht die einer Person – sie befinden sich vollständig auf der subpersonalen Ebene.
Vielleicht verfügen wir bald über eine funktionalistische Theorie des Bewusstseins, aber dies bedeutet noch lange nicht, dass wir auch in der Lage sein werden, die Funktionen, über die diese Theorie spricht, in einem nichtbiologischen Trägersystem zu implementieren. Künstliches Bewusstsein ist nicht so sehr ein theoretisches Problem in der Philosophie des Geistes, sondern vielmehr eine technologische Herausforderung: Der Teufel steckt in den Details. Das wirkliche Problem besteht nämlich in der Entwicklung einer nichtneuronalen Art von Hardware, die genau die richtigen kausalen Kräfte besitzt: Deshalb könnte selbst eine sehr simple, minimale Form von »synthetischer Phänomenologie« (so der Name einer neuen Forschungsrichtung) schwer zu erreichen sein – und das aus rein technischen Gründen.
Abb. 17a: Der Seestern , ein vierbeiniger Roboter, der sich mit Hilfe eines internen Selbstmodells fortbewegt, das sich in ihm entwickelt hat und welches er ständig verbessert. Wenn er ein Bein verliert, kann er sein internes Selbstmodell anpassen. (Foto: Josh Bongard.) 3
Die ersten selbstmodellierenden Maschinen sind bereits auf der Bildfläche erschienen. Wissenschaftler auf dem Gebiet des künstlichen Lebens haben schon vor langer Zeit damit begonnen, den evolutionären Prozess selbst zu simulieren, aber inzwischen haben wir bereits die akademische Disziplin der »evolutionären Robotik«. Josh Bongard vom Institut für Informatik an der Universität in Vermont und seine Kollegen Victor Zykov und Hod Lipson haben einen künstlichen Seestern erschaffen, der schrittweise ein explizites inneres Selbstmodell entwickelt. 4 Ihre vierbeinige Maschine benutzt die Beziehungen zwischen selbsterzeugten Körperbewegungen und Rückmeldungen aus der durch sie veränderten Sinneswahrnehmung, um indirekt auf ihre eigene Struktur zu schließen, und erzeugt dann mit Hilfe dieses Selbstmodells verschiedene Gangarten und Vorwärtsbewegungen. Wenn man einen Teil ihres Beins entfernt, dann passt die Maschine ihr Selbstmodell an die neue Körperform an und generiert alternative Schrittmuster und Formen des Gehens – sie lernt zu hinken. Dies ist eine wichtige Form von Körperintelligenz. Im Gegensatz zu den Patienten mit Phantomgliedern, die wir in Kapitel 4 kennengelernt haben, kann das System sein eigenes Körperbild nach dem Verlust eines Glieds restrukturieren. Deshalb kann es in einem gewissen Sinne auch lernen. Seine Schöpfer formulieren es so, dass es »autonom und mit sehr geringem Vorwissen seine eigene Topologie wiederentdecken kann«, indem es andauernd die Parameter des sich daraus ergebenden Selbstmodells weiter optimiert. Der Seestern synthetisiert nicht nur ein internes Selbstmodell, sondern er benutzt es auch, um intelligentes Verhalten zu erzeugen.
Abb. 17b: Der Roboter durchläuft kontinuierlich einen Vorgang der Handlungsausführung . In den Schritten (A) und (B) geschieht die Synthese des Selbstmodells. Der Roboter führt zunächst eine physische Handlung durch (A). Anfänglich ist diese Handlung rein zufällig; später ist es die beste Handlung, die in Schritt (C) entdeckt wurde. Dann erzeugt der Roboter eine Reihe von Selbstmodellen, die zu den Sinnesdaten passen sollen, welche während vorangegangener Handlungen gesammelt wurden. Er weiß nicht, welches Modell korrekt ist (B). Die Synthese von Probehandlungen: Der Roboter erzeugt verschiedene mögliche Handlungen, die zur einer eindeutigen Entscheidung zwischen den miteinander im Wettstreit stehenden Selbstmodellen führen (C). Die Synthese des Zielverhaltens: Nach einer Reihe von Durchläufen durch die Stufen (A) bis (C) wird das aktuell beste Modell dazu benutzt, durch
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