Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
Vom Netzwerk:
erledige, was ich für die Fertigstellung des Berichts erledigen muß – ich sehe zu, daß ich bald in die übrigen Provinzen komme.«
    Mweta sagte: »Aber wenn Phiri in Gala etwas aufziehen möchte. Es besteht für dich kein Grund zur Eile, aus Gala wieder wegzugehen.«
    »Manchmal hab ich das Gefühl, ich wär nie weg gewesen; aber nur dann, wenn ich allein bin, verstehst du. Es hat etwas mit der Atmosphäre dieser Gegend zu tun, mit ihrem Geruch und so weiter. Aber mein ehemaliges Haus und das
boma
, die lassen mich kalt. Ich vermute, die Art und Weise, wie ich meinem alten Leben den Rücken gekehrt habe … Manchmal habe ich das Gefühl, nie weg gewesen zu sein, manchmal, nie zurückgekehrt zu sein.«
    »Ich meine, du solltest dich nicht hetzen. Ist das Haus, in dem du jetzt wohnst, in Ordnung? Wir sollten wirklich versuchen, dir ein anständiges Haus zu besorgen, James. Wenn du hörst, daß irgendwelche Leute wegziehen, oder du vom Haus irgendeines Siedlers weißt, dann schreib unbedingt – die Regierung könnte für dich so ein Haus kaufen.«
    »Oh, das Haus genügt absolut für meine Zwecke. Im Garten steht ein prächtiger Feigenbaum.«
    »Es sollte doch ein wirklich schönes Haus für dich und Olivia aufzutreiben sein. Es macht mir Sorgen. Nicht eine von diesenbritischen Bruchbuden. Sie kann nicht hierherkommen, um dann in so was zu leben.«
    »Das Haus ist wirklich einwandfrei! Für ein paar Monate ist es genau das richtige. Ich weiß nicht, ob Olivia jetzt kommen wird. Sie hat sich schon soviel Zeit gelassen.«
    »Überstürz nichts«, sagte Mweta und blickte ihn offen an. »Weißt du, es ist eine komische Sache, all die Jahre – in meiner Vorstellung warst du die ganze Zeit hier, in Gala. Selbst wenn ich hingefahren bin; ich hab erwartet, dich zu sehen. Für mich bist du in Gala. Genau wie ich selbst. Auch ich bin in Gala. Das war damals« – zuerst nahm er seine Unterlippe zwischen die Zähne, dann seine Oberlippe. »Jetzt muß ich mich auf Simon Thabo verlassen.« Thabo war der Provinzminister für Gala. »Man kann einfach nicht mit ihm reden, James. Lasse ich ihn kommen, so erklärt er mir, machen Sie sich keine Sorgen, Mr. President, es ist alles unter Kontrolle. Du weißt, wie manche von uns sind, James, du weißt, wie wir sind? Er hat eine Art, bestimmte Dinge ganz verschieden auszudrücken, bestimmte Worte zu wiederholen. Und immer redet er englisch, dieses besondere Englisch, das er im Kurs für Verwaltungsbeamte gelernt hat, den die Mission unten in Zambia organisiert. Ich sage ihm, erzählen Sie mir nicht, was der Polizeichef gesagt hat, der vor Ihnen salutiert, das interessiert mich nicht. Erzählen Sie mir, was die Leute gesagt haben, was Sie gehört haben … Wenn ich mit dir auch nur fünf Minuten lang rede, James, erfahre ich mehr, als ich aus all diesen zuverlässigen Quellen und was weiß ich herausbekomme.«
    Bray dachte an den Jungen, der hinter Schloß und Riegel gesessen hatte, während er – weniger als fünf Meilen vom Gefängnis entfernt – in dem Haus mit dem Feigenbaum gelebt hatte. »Ich tappe im dunkeln.«
    »Thabo ist nicht der Mann, mit dem man reden kann«, sagte Mweta. »Wenn ich dich da habe, kann ich … Bei allem, was du mir sagst, weiß ich, daß du dieses Land« – seine Finger schlugen an seine Brust – »da drinnen hast – und du wirst sehen, du wirstsehen, persönliche Gefühle darf ich dabei nicht zulassen. Und das wirst du auch nicht tun. Ich muß wissen, was da los ist. Und zwar von jemandem, der begreift.«
    Shinza, Shinza. »Ich hatte nicht einmal eine Ahnung, daß Lebaliso Leute eingesperrt hält«, sagte Bray.
    »Es ist ein großes Land. Unmöglich, diese Dinge zu verhindern. Kleine Polizisten, die den starken Mann spielen. Wir werden schon noch lernen.« Er meinte es ernst – trotz seiner Vorbeugehaft. Bray beobachtete ihn. Er sprudelte hervor: »James, wir enttäuschen dich. Mein Gott.« Bray barg einen Augenblick lang in sich eine blödsinnige Eitelkeit, wie seine Hände ein brennendes Streichholz bargen; Premierminister und Präsidenten waren jetzt seine Kollegen, und noch immer wählt er diesen Weg. Zu mir. Mweta sagte gerade: »Du mußt uns helfen, James. Wir brauchen dich, wie eh und je.« Deshalb hat er es dazu gebracht, was er jetzt ist; der unfehlbare Instinkt des Politikers, den Vorteil zu nützen, wenn er sich ihm bietet. Bray war fasziniert – wie ein Mann, der weiß, daß er viel getrunken hat und sich nicht klar darüber ist, daß das

Weitere Kostenlose Bücher