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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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herum – also sagte ich zu ihm – das heißt, ich erhob absichtlich Einspruch gegen irgend etwas, wogegen wir in Wahrheit überhaupt nichts einzuwenden hatten, nur um zu sehen, wie er reagieren würde. Und er kam auch gleich damit heraus, wie aus der Pistole geschossen: ›Aber soviel ich verstanden habe, ist das doch für Ihre Regierung akzeptabel.‹ – Wie kommen Sie dazu, etwas verstanden zu haben, sage ich,
wer
hat Ihnen denn etwas zu verstehen gegeben? Natürlich hat er sich irgendwie da herausgewunden. Aber später dann, als wir allein waren, fragte ich ihn. ›Man hat es mir zu verstehen gegeben.‹ Er sah mich an, als sei ich übergeschnappt, als wüßte ich gar nichts. Man kann ihm das nicht vorwerfen. Wer hat ihnen das zu verstehen gegeben? –
Er
hatte Gespräche mit Clough gehabt: ›Shinza kannte natürlich meinen Vorgänger gut.‹ Es war oft nützlich, Gespräche im voraus zu führen. In der Vergangenheit seien viele Fortschrittein aller Stille erzielt worden. Und so weiter. Was hätte ich schon sagen können? Nun, in diesem Fall war kein Schaden entstanden. Glücklicherweise. Aber das ist eben so eine Sache. Denk an den Minderheitenbericht, den er vorgelegt hat. Und das ist etwas, wovon du wußtest. Du weißt, was du damals davon gehalten hast. Ja, gut, ein bißchen taktlos, das hast du zu mir gesagt. Aber du bist kein Mann, der viele Worte macht, und ich wußte, daß es dich beunruhigt hat, egal, was du sagtest. Ich habe mich um acht Millionen zu kümmern, James, und ich kann mich nur auf meine Weise um sie kümmern.«
    »Du hast ihn in eine Art von Opposition gedrängt, die es zwischen euch beiden eigentlich gar nicht gibt.«
    Mweta ließ seine Hände sinken und hilflos hin und her baumeln. »Die es nicht gibt! Gib ihm nur
so viel
, und er verschluckt gleich deinen ganzen Arm. Du denkst von ihm bloß so, wie er vor Jahren war.«
    »Ja, er hat sich verändert«, sagte Bray. »Du weißt, daß ich ihn getroffen habe.«
    »Nein«, sagte Mweta. »Nein, ich sage dir, ich habe es nicht gewußt.«
    Es war das erste Mal, das erste Mal, seit er der Junge mit einer Gitarre auf einem Fahrrad gewesen war, daß Bray nicht wußte, ob Mweta die Wahrheit sagte.
    »Wann?«
    »Das war’s, wohin ich letzte Woche unterwegs war – auf der Bashi-Straße.«
    »Oh, ich verstehe.«
    »Nein, du verstehst nicht. Ich hab dir etwas geschrieben – hab’s nicht abgeschickt, die Sache mit dem Jungen beunruhigte mich … Aber ich wollte dir sagen, daß ich es einfach nicht glauben kann, daß Shinza irgend etwas unternehmen würde, um dich auszubooten,
wenn ihr beide zusammenarbeiten würdet
. Wenn ihr noch immer beide an einem Strang ziehen würdet. Die Differenzen, die ihr unmittelbar vor der Unabhängigkeit in der Partei hattet – das ist nichts Endgültiges. Er wird da gegendich ankämpfen, weil er glaubt, daß die Partei sich für bestimmte Dinge einsetzen soll, daß die Partei keine Rücksicht auf die Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Regierung nehmen sollte, selbst wenn Umstände sie erforderlich machen: dazu ist die Partei in einem Staat wie diesem da. Der Regierung die ursprüngliche Vorstellung dessen vor Augen zu halten, was Unabhängigkeit zu bedeuten hat, und ständig den Widerspruch dieser Vorstellung zu der Bereitschaft der Regierung aufzuzeigen, das zu akzeptieren, was im Interesse der Macht und mit dieser vereinbar ist. Dialektik, im eigentlichen Sinne. Und das ist es, was eine Opposition innerhalb der Partei tatsächlich bedeutet.«
    »Ach, wir alle wissen von seiner frühen marxistischen Ausbildung. Seine sechs Wochen anno 1937. Wir haben all das ein dutzendmal von ihm gehört. Wir wissen alle, daß er der Parteiintellektuelle war, und wir die Jungs aus dem Busch. Das haben wir alles hinter uns.«
    Bray sagte: »Worauf ich hinaus will, ist, daß etwas in ihm steckt, das ihn stets dazu anspornen würde, ein Machtfaktor zu sein, aber nicht
der
Machtfaktor … das ist mehr oder minder das, was ich meine. Du würdest einem moralischen Grund, warum er meiner Meinung nach dich nicht bedrohen würde, ebenso mißtrauen wie ich selbst … Aber das ist kein moralischer Grund, sondern eine Frage des Temperaments. Temperament, das sich über lange, lange Zeit hinweg gezeigt hat. So ist er … Bekannt möchte er nur bei den paar wenigen Eingeweihten sein. Das reicht ihm. Er hatte seine Freude daran, dazu beigetragen zu haben, daß du ›gemacht‹ wurdest; weshalb hat er nicht die gleiche Energie dazu verwandt,

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