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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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aufnehmen«, sagte Bray, der sich wie ein fröhlicher Missionar vorkam. Der Sekretär war ein großer Mann, dessen Schenkel sich beim Aufstehen aneinander rieben; sein kurzes Haar war derart stark pomadisiert, daß er aussah, als käme er gerade aus der Dusche. Er stimmte in das Gelächter des Schwarzen ein, obwohl er ihn, abgesehen von der Vorstellungam Anfang, eigentlich nie direkt angesprochen hatte. Er komplimentierte sie hinaus, indem er mit einem Arm in der Luft hinter ihren Schultern einen Bogen beschrieb. »Colonel, haben Sie Ihr Projekt woanders schon mal angesprochen? Ich meine, vielleicht im Laufe einer Unterhaltung?« Die Stimme klang vernünftig, schmeichelte; so setzte er sie vielleicht ein, wenn er einem Clubmitglied, das einen guten gebrauchten Squashschläger loswerden wollte, Hoffnungen machte; er wußte, daß Bray seit der Benachrichtigung von seiner Aufnahme als Mitglied nicht ein einziges Mal auf einen Drink in die Bar gekommen war. Und Bray murmelte, das Gesicht unbewegt: »Ich war in letzter Zeit nicht viel in Gala, ich hatte wirklich keine Gelegenheit …«
    Im Wagen sagte er: »Das war ein Fehler, die Sache mit den Caddies. Die Golfer werden glauben, der Weltuntergang steht bevor; jetzt wollen wir ihnen ihre Caddies wegnehmen, um sie zu
erziehen

    »Ich würd sie äußerst gern in die Schule stecken.« Malemba blieb hartnäckig. »Diese Kinder haben von nichts eine Ahnung, außer wie man Kippen raucht und wie man um Pennies spielt.«
    »Du lieber Himmel! Die Caddies werden in uns auch ihren Untergang sehen. Sie werden zusammen mit den Clubmitgliedern auf die Barrikaden steigen und das Gelände mit Golfschlägern verteidigen.«
    Es mußte eine Sondersitzung des Clubvorstands stattgefunden haben. Binnen einer Woche befand sich bei der Post, die per Bote aus dem
boma
heraufgebracht wurde, ein Brief. Sein Inhalt war an den für das Gebiet zuständigen Bildungsbeamten, Mr. Sampson Malemba, gerichtet und trug den Vermerk: »Kopie an Colonel E. J. Bray, D. S. O.« Die Mitglieder des Gala-Clubs, zu jeder Zeit willens, der Sache des Gemeinwesens zu dienen, was der Club seit seinen Anfängen im Jahre 1928 bewiesen habe, verträten die Ansicht, daß weder das Haupt- noch die freistehenden Nebengebäude des Clubs als Örtlichkeit für Erwachsenenbildungskurse geeignet seien und deren Erfordernissen nicht entsprächen. Zweck des Clubs sei – und sei es immer schon gewesen–, mit seinen Einrichtungen der Erholung zu dienen, nicht aber der Erziehung, für die in Schulen, Kirchen und anderen Zentren, die für den Unterricht bestimmt und auch ausgerüstet seien, zweifellos besser gesorgt wäre. Deshalb müsse man mit Bedauern und so weiter.
    Er rief Sampson Malemba an, der eines der wenigen Telefone im schwarzen Township besaß, aber es hob bloß ein sehr kleines Kind ab, das immer wieder nur eine fragende Silbe in die Muschel wiederholte: »Ei? Ei? Ei?« Unter der Post fand sich auch ein kurzer Brief von Aleke, der mit der trockenen Einleitung begann: »Ich höre, Sie sind zurück.« Es stimmte, er war nicht im
boma
gewesen; er hatte sämtliche Papiere zu Hause, und im Augenblick war Malemba der einzige Beamte, mit dem er zusammenkommen mußte. Wie auch immer, Aleke lud ihn zum Abendessen ein. Um mich unter die Lupe zu nehmen, um sich davon zu überzeugen, wie gut man es in der Hauptstadt verstanden hat, mich einzuwickeln? Er dachte: Das wüßte ich selbst gerne.
    Das erste, was er sah, als er die Verandastufen hinaufstieg, dorthin, wo so lange sein eigenes Zuhause gewesen war, war das Mädchen. Rebecca Edwards – sie kehrte ihm den Rücken zu. Sie war gerade dabei, an den Haufen barfüßiger Kinder – schwarze und weiße, deren Hände und Kinne sehnsüchtig auf der Tischkante lagen – Orangesquash auszuschenken, und als die anderen ihn begrüßten, drehte sie sich um, wobei sie das Haar, das ihr in die Stirn gefallen war, mit einer Kopfbewegung zurückwarf. »Willkommen in der Heimat – wie ging’s denn in der Stadt?« sagte sie fröhlich und natürlich und ohne zu erwarten, daß sie in diesem Durcheinander von Stimmen eine Antwort bekäme. Es war alles in Ordnung; es wurde ihm bewußt, wie ratlos ihn die Vorstellung gemacht hatte, daß er diesem Mädchen, das er seit jenem Zwielicht nicht mehr gesehen hatte, wieder begegnen würde. Selbstverständlich war er ihretwegen nicht ins
boma
gekommen, und ihretwegen hatte er veranlaßt, daß ihm Tag für Tag die Post zugestellt wurde. Er wollte mit der

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