Der Ehrengast
Kindern rüberschicken.« Sie entwand sich sanft dem kräftigen Unterarm Alekes.
Am Tag darauf ging er zu Joosab. Die Bemerkung des Clubsekretärs, er sollte das »Projekt mal woanders erwähnen«, hatte vielleicht etwas für sich – und wenn das auch nicht bei den Mitgliedern des Gala-Clubs der Fall sein konnte, so vielleicht doch bei einem der indischen Kommune. Joosab sagte gar nichts; seine großen schwarzen Augen blickten Bray aus den verschrumpelten Hautlappen, die die Farbe und Konsistenz eines Skrotums hatten, unverwandt wie nächtliches Sternenlicht an, während dieser das Projekt skizzierte und er selbst schon davon überzeugt war, daß sich der weiße Club weigern würde, und ihm bewußt wurde, was nun kommen würde: die Frage, ob nicht die Gandhi-Halle und die indische Privatschule, zu der sie gehörte, als Lokal herhalten könnten. Obwohl die Inder von Gala – wie so viele afrikanische Kommunen – sich hauptsächlich zum islamischen Glauben bekannten, beriefen sie sich auf Gandhi, einerseits wegen des Ansehens, das er Indien und der dritten Welt schlechthin eingebracht hatte, andererseits vielleicht, weil sie – in Anbetracht ihrer unsicheren Lage inmitten der Schwarzen – vage hofften, die Verurteilung von Klassen- und Rassenhaß durch den Mahatma vermöchte das aufkeimende Ressentiment der Schwarzen ihnen selbst gegenüber zu mildern. Natürlich lagen die Halle und die Schule – entsprechend des zu Zeiten der Kolonialherrschaft praktizierten Vorgehens der Weißen, die die verschiedenen Rassen in unterschiedlicher Entfernung von sich selbst angesiedelt hatten – in dem kleinen Stadtteil, den man als »Bazar« bezeichnete, ein Viertel, das nur aus ein paar Straßen bestand und, jenseits der indischen Läden, am Rande der »weißen« Stadt lag. »Aberdas wird doch schön sein, meinen Sie nicht, Joosab – mit diesen alten abgegriffenen Klischeevorstellungen zu brechen, daß dieser dahin gehört und jener dorthin, die einfach nicht aussterben wollen …? Ihre Leute würden den Europäern ein Beispiel geben, das ihnen zu denken geben würde … und für die Schwarzen wäre es zweifellos ein Beweis für eure Treue als Staatsbürger … Sie dürfen mich auch nicht mißverstehen – wir hoffen, daß sämtliche Inder, die Interesse an Kursen haben, die ihnen nützlich sein könnten, diese auch belegen, Joosab …«
Noch nie hatte ihn Bray mit »Joosab« ohne das Präfix »Mr.« angeredet; der Schneider wußte, daß das plötzliche Wegfallen der Anrede nicht auf jene Distanz zurückzuführen war, die andere Weiße zwischen ihm und sich aufbauten, indem sie es ihm nicht zugestanden, sondern darauf, daß die beiden Männer einander nun schon so lange Zeit kannten und schon so viele Veränderungen miterlebt hatten.
Er lächelte: »Unsere Leute
sind
alle ausgebildet, Colonel. Von den allerersten Tagen an haben wir unsere eigenen Schulen gehabt.«
»Ich weiß. Um ehrlich zu sein – ich rechne damit, von euch ein paar Lehrer zu bekommen … Ich möchte deshalb auch mit Mr. Patwa reden.«
Auf einem blitzblanken neuen Dreirad saß vor dem Laden eines der Enkelkinder Joosabs und schellte gebieterisch mit der Glocke, angeschoben von einem zerlumpten, kleinen, männlichen schwarzen »Kindermädchen«; jedesmal, wenn sich der Junge grinsend und nach Luft schnappend aufrichtete, brüllte ihn das Mädchen in wütendem Gujerati an.
Das Komitee der indischen Schule erteilte Erlaubnis, die Gandhi-Halle und die Schreinereiwerkstätte der Schule dürften – vorausgesetzt, die Kurse wurden außerhalb der täglichen Unterrichtszeit und nicht an religiösen Feiertagen abgehalten – von den Verantwortlichen des Erwachsenenbildungsprojekts benutzt werden. Auf seinem Stammplatz unter dem Feigenbaum verfaßte Bray im eigenen sowie im Namen Malembas ein Dankschreiben.Eines der Edwards-Kinder tauchte auf – er wußte nicht, war es ein Junge oder ein Mädchen, alle trugen sie den gleichen kurzen Haarschnitt und Shorts. Eine helle Mädchenstimme fragte nach dem Paket für Mummy. Gemeinsam mit ihren beiden anderen Kindern wartete Rebecca Edwards in ihrem schäbigen Wagen auf der Straße. Sie winkte entschuldigend mit der Hand. Er brachte das Geschenk der Bayleys hinaus, und sie unterhielten sich miteinander durchs Wagenfenster; im Auto drinnen bliesen ihre Jungen, die Badehosen um die Köpfe gewunden, einen Plastik-Seehund und einen riesigen Ball auf – es war Sonntagmorgen. »Das Wasser ist das ureigenste Element dieser
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