Der Ehrengast
Ihr Budget irgendwie durcheinanderbringen.«
Sie hatte ein Stück Glas aufgehoben, das vom Wasser rundgeschliffen war, und warf es jetzt weg. »Aleke! Wissen Sie, was er sagte – und dabei wollte er mir helfen, ganz im Ernst, verstehenSie –, als ich ihm sagte, daß ich das Darlehen diesen Monat zurückhaben müßte, weil ich ansonsten meinen Anteil am Haushalt der Tlumes nicht zahlen könnte? Er wollte bei den Tlumes für mich ein Wort einlegen, er wollte ihnen erklären, daß ich wegen des Umzugs und der Autoreparaturen ein wenig knapp bei …«
»Erzählen Sie den Bayleys besser nichts davon.«
»Ach, dabei ist Aleke aber in Ordnung. Ich erinnere mich, einmal, in Rhodesien, da hat sich Gordon auf die Hinterbeine gestellt und gemeint, ich könne dieses alte Schreckgespenst, für das ich arbeitete, Humphry Temple, nicht einen Augenblick länger aushalten. Er wollte mich nicht einmal mehr mein Geld abholen lassen. Er ging persönlich ins Büro hinauf, marschierte schnurstracks in Temples Büro und bestand auf einer Entschuldigung … Kein Mensch hatte in diesem Büro auch nur die blasseste Ahnung, wer dieser unverschämte Bursche war …« Sie lachte. Sie kam wieder auf die Sorgen der Bayleys zurück und sagte: »Ich finde das alles hier ganz in Ordnung. Am Anfang bildete ich mir ein, ich müßte einfach meine Sachen packen und mich geschlagen geben. Zurückgehen. Ich hab geglaubt, ich dreh durch … Aber das war wohl bloß der übliche Umzugskoller.«
»Man ist hier isoliert. Werden Sie sich nicht einsam vorkommen?« Beinahe hätte er, ganz selbstverständlich, hinzugefügt: »– wenn ich fort bin«, aber nicht etwa, weil er sich als Person gemeint hätte, sondern die Gegenwart eines Menschen, wie er es war.
»Ich hab noch nicht darüber nachgedacht. Man weiß, was man zu tun hat, wenn man einzig und allein daran denkt, daß man weg will – das scheint alle Probleme zu lösen, und das, was danach kommt, sieht man nicht. Und ist man schließlich da – sicher und wohlbehalten –, dann stellt sich wieder heraus, daß es die immer gleichen praktischen Probleme sind, daß man ein Dach überm Kopf hat, in welche Schule man die Kinder schicken soll … Aber es ist besser so, für mich. Sie wissen, wie nett man dort unten zu mir war, ich hab diese Leute sehr gern, aber« – sie wandte sich von ihm ab, blickte auf den See hinaus und flüchtetein eine Art bewußter Banalität – »sie-haben-mich-krank-gemacht.« Eine Pause trat ein, wie so oft nach halben Wahrheiten.
Abermals änderte sich das Tempo ihrer Unterhaltung. Sie redeten über den See und seine Reisen kreuz und quer durchs Land. »Sie begreifen, wie schwer es ist, Veränderungen zu erfassen, es sei denn in konkreten Zahlen. Wenn Sie zehn Jahre lang von Europa weg waren und wieder zurückkommen, dann
sehen
Sie die Zeit, die inzwischen verflossen ist – an neuen Gebäuden, an Landschaften voller Wohnanlagen, sogar an den Automodellen und der Mode, nach der man sich nun kleidet. Hier aber gibt’s nichts, das nicht so aussähe wie früher – der See ist der gleiche, die Boote sind die gleichen, die Leute sind die gleichen – nicht einmal so viel wie eine Brücke oder Straße, die es nicht schon vorher gegeben hätte. Und doch hat alles sich verändert. Der Kontext, in dem all das steht, ist ein anderer als früher. Und dazu kam dann noch, daß ich einen alten Freund aufsuchte … einen der Weggefährten aus jener Zeit, verstehen Sie, und an
ihm
waren diese zehn Jahre ablesbar – graue Haare, ein zerbrochener Zahn, jene kleinen Hinweiszeichen, die einem das Gefühl geben, man wüßte, wo man sich gerade befindet. Da aber stellte sich heraus, daß er einen Sohn hatte, der erst vor kurzem auf die Welt gekommen war – zu eben jener Zeit, da ich ein Enkelkind bekommen hatte, war da ein kleines Kind geboren worden!«
»Das ist doch nicht so was Besonderes«, sagte sie, forschend und amüsiert zugleich.
»Aber verwirrend ist es«, sagte er und lachte ebenfalls.
»Ich sehe nicht ein, warum. Vielleicht ist er daneben schon Großvater.«
»Ach, das sicher. Mehrfacher Großvater. Er hat noch eine Reihe weiterer Söhne, wenn ich mich recht erinnere.«
»Oh, ein Schwarzer also.«
»Haben Sie jemals den Namen Shinza gehört – Edward Shinza?«
»Kann mich nicht erinnern, aber vermutlich schon. Ein politischer Führer? Sonst kenn ich die Namen der Kabinettsminister,aber danach muß ich passen. Ich fürchte, Sie denken, ich bin politisch eine Null. Im
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