Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
Vom Netzwerk:
Gegensatz zu Vivien.«
    »Er ist ein alter Freund. Er war der Gründer der PIP .«
    Sie sagte: »Sie kennen wohl jeden?«
    »Ja«, sagte er, »das ist das Problem.«
    »Lassen Sie mich zurückpaddeln, ja?« sagte sie. »Mein Gott, der See ist herrlich. Das wiegt vieles auf.«
    »Wiegt was auf?«
    Einen Moment lang sah sie ihn an, als wüßte sie es selber nicht. »Hier zu leben.« Der Sonnenbrand ließ die Ränder ihrer Nasenflügel und Jochbeine glänzen, und ihre Lippen sahen aus, als wären sie ausgetrocknet – sie schien kein Make-up dabei zu haben, mit dem sie sich wieder hätte herrichten können. Es war wahr, sie flirtete überhaupt nicht. Es war fast ein Affront. Ihr gelber Löwinnenblick ruhte auf den Kindern.
    Am Abend, als sich die Gesellschaft wieder vollständig zu Hause eingefunden hatte, überquerte er das leere Grundstück, um die Kleinigkeiten abzuliefern, die die Kinder in seinem Wagen zurückgelassen hatten. Sie spielte mit Nongwaye Tlume auf der Veranda Schach; sie hatten eine moderne Gaslampe, die ein unterweltliches, stählernes Licht verbreitete. Sie ließ das Zeug auf einen Stuhl fallen und begleitete ihn in den Garten, der zaunlos war und nur durch die Demarkationslinie von ein paar Zinnienköpfen und den seichten Vertiefungen und Pfaden der Kinder getrennt war. »Ich habe Nongwaye gezeigt, wie das Spiel geht, aber jetzt schlägt er mich ständig. Wenn ich mich aufrege, dann sagt er, es sei in Afrika von alters her Sitte, die Frauen zu schlagen – er sei aber derart verwestlicht, daß er’s nur beim Schachspiel so halte.«
    Schließlich war sie, die Arme über der Brust gekreuzt, schlendernd und plaudernd näher bei seinem Haus als bei ihrem und kam auf einen Drink herein. »Ist es zu kalt für den Feigenbaum?«
    »Nein, nein, ich würde fürs Leben gern unter dem berühmten Feigenbaum sitzen.«
    Er besaß einen kleinen Kerzenhalter mit Glaszylinder. Wie miteiner Lampe, die man in einer Höhle in die Höhe hält, beleuchtete er die Risse und kirchenschiffartigen Vertiefungen des großen Baumes, dessen Rinde selbst nachts von Aktivitäten überlaufen war, von Ameisen und Käfern wimmelte.
    »Mit den Tlumes kommen Sie gut zurecht, nicht?« Er fand es bemerkenswert, daß eine Frau, der die liberalen Prinzipien und das leidenschaftliche Engagement wenig zu bedeuten schien, das Zusammenleben mit einer Familie von Schwarzen für so wenig erwähnenswert hielt. Offenbar war sie im kolonialen Stil erzogen worden und hatte ihr Leben auf der weißen Seite der Wagenspur in Reservaten verbracht, wo immer das auch gewesen sein mochte.
    Sie sagte: »Es sind halt einfach sehr nette Leute. Ich hab Glück gehabt. Es ist verdammt riskant, gemeinsam in einem Haus zu wohnen.«
    »Haben Sie denn nicht das Gefühl gehabt, daß sie im Grunde ganz anders sind? – verstehen Sie, in den nebensächlichen Dingen, die allerdings eine Menge bedeuten, wenn man zusammenlebt.«
    »Na, selbstverständlich ist das was ganz andres – wenn man mit anderen Menschen lebt. Ich hab in den vergangenen ein, zwei Jahren mit Schwarzen zusammengearbeitet, und in unserer Clique bei den Bayleys, da hatten wir Schwarze als Freunde; aber noch nie davor hatte ich mit ihnen zusammengelebt. Nur, wie ich schon heute nachmittag sagte … damals hab ich mir über nichts Gedanken gemacht … außerdem mußte ich aus diesem Hotel raus, und da hat sich mir diese Möglichkeit angeboten … Natürlich gibt’s da einen Unterschied – in dem Haus hat man nicht viel Privatleben, wir leben praktisch alle zusammen, ich meine, eine Einteilung wie: das da ist mein Bereich, und das da eurer, wie ich es erwartet hatte – das gibt’s da nicht. Für die ist das einfach eine Selbstverständlichkeit; wir essen gemeinsam, die ganze Zeit gehen die Leute ein und aus bei dir. Und trotzdem: es
gibt
eine Art Privatleben, eine andere Art. Sie würden nie Fragen stellen. Sie akzeptieren einfach alles an einem.« Als ermit ihrem Bier aus dem Haus zurückkam, sagte sie: »Gordon ist natürlich auf die Barrikaden gegangen. Ich schrieb ihm, wo wir sind, und
das
hatte dann natürlich einen Brief von ihm zur Folge. Letzte Woche hab ich ihn gekriegt – was für ein Milieu für die Erziehung seiner Kinder und lauter so Zeug. Er ist beinahe
durchgedreht
. Er schreibt diese Art von Anwaltsbriefen immer dann, wenn er sich Sorgen macht – großkotzig und dämlich. Er stellt sich vor, wie wir im Hof sitzen und aus einem riesigen Topf Maisbrei essen – Sie kennen Gordons

Weitere Kostenlose Bücher