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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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Aleke, Sie hätten es denen erzählt – dem Präsidenten.«
    »Aber natürlich hab ich das. Und jetzt nimmt man an, ich hätte den Präsidenten bloß zu bitten brauchen, er möge Lebaliso entfernen lassen – und schon ist’s passiert.«
    »Trotzdem – der Präsident muß geglaubt haben, Sie seien der Meinung, es wäre gut, ich meine, er kennt Sie schon lange. Ob Sie ihn nun darum gebeten haben oder nicht.«
    Er suggerierte sich selbst: »Ich bin für Lebalisos Entlassung verantwortlich, ob mir das nun paßt oder nicht.«
    »Aber Sie finden es doch richtig, daß er gehen muß? Was spielt es da noch für eine Rolle?«
    »Es gibt ein Gesetz zur Vorbeugehaft. Sein Vorgehen wurde in der Zwischenzeit legalisiert. Das Prinzip, aufgrund dessen man ihn hätte entfernen können, steht nun irgendwie auf schwächeren Beinen.«
    Sie zog die kräftigen Oberschenkel an sich heran, so daß sie – Knie unter dem Kinn – ihren ganzen Körper verdeckten. Sie entfernte den Sand zwischen ihren Zehen. »Vielleicht hat Mweta es tatsächlich getan, um Sie zufriedenzustellen«, sagte sie. Im gleichen Augenblick stellten sie fest, daß die Kinder im Busch verschwunden waren. »Wohin sind sie?« Sie hörten das Fallen und Steigen umherstreifender Stimmen. Die beiden machten sich auf den Weg über den schweren Sand. Er trug den mageren, kleinen, weißen Jungen zurück, sie den schwarzen und wies ihn wie in einem Stummfilm darauf hin, um wieviel größer die Fettwülste um seine Oberschenkel waren als seine Hinterbacken. Das Kind lag da und sah faul und vergnügt zu ihr auf, wie jemand, der einen Anspruch darauf hat, getragen zu werden. »Stimmt’s, daß Sie ein Enkelkind haben?«
    »Ja, ein Mädchen.« Sie lächelten. »Mir kommt das ganz, ganz weit weg vor.«
    »Sie haben es wohl noch nie gesehen?«
    »Ach, Photographien.« Er hob seine Last mit einem demonstrativen Ruck ein wenig in die Höhe. »Das da ist Ihres – ich sollte es inzwischen eigentlich wissen, aber es sind immer so viele …« Obwohl der Junge dunkelhaarig war wie sie, ähnelte er ihr überhaupt nicht, dennoch aber hatte sein Gesicht jene prägnanten Züge, die unzweifelhaft auf Vererbung hindeuteten – schwarze Augen unter jetzt schon dichten und wohlgeformten Brauen, beerenfarbene Lippen, deren untere eine kleine Kerbe aufwies: Das hier war ein Mann, obwohl die Beine, die von verschorften, knochigen Knien herabbaumelten, klein und armselig und die kleinen kalten Klauen weißlich waren und in der rissigen Haut sich Schmutzkörnchen gesammelt hatten. Ihre Kinder sahen vernachlässigt aus, gingen stoisch in ihren Spielen und ihrer Fröhlichkeit auf, wie es für Kinder typisch ist, die sich an unablässigeund nie erklärte Wechsel ihrer Umgebung und immer neue Clans aus »Tanten« und »Onkeln« gewöhnen müssen.
    »Er ist ganz Gordon«, sagte sie wie angesichts einer unabänderlichen Tatsache. »Nicht bloß im Äußeren. Die Art, wie er spricht, einfach alles. Das ist sonderbar, weil er die ganze Zeit bei mir war – ich glaube, Gordon hat keine vier, fünf Monate mit uns zusammengelebt, seit er gehen gelernt hat.«
    »Die Bayleys haben sich Ihretwegen Sorgen gemacht.« Er achtete streng auf die Wahl der Worte. »Ob es Sie glücklich macht, für Aleke zu arbeiten.«
    »Aleke ist ein Schatz, wissen Sie. Wirklich. Ist alles ein Riesenbluff bei ihm. Er macht sich gerne vor, daß er mich mit der Peitsche antreibt. Mein Gott, er hätte ein paar von denen kennen sollen, für die ich früher gearbeitet habe. Es gibt schon ein paar Schweine auf dieser Welt. Aber ich glaube nicht, daß die Schwarzen jemals wirklich so sein könnten.«
    »Wie was?« Die Kinder spielten wieder am Rand des Wassers, während er und das Mädchen am Strand entlangschlenderten.
    »So, daß sie Spaß daran haben, wenn man sich so klein vorkommt. Ich meine, sie sind höllisch unverläßlich, borgen sich Geld bei einem, und man sieht’s nie wieder – so Sachen. Aber sie wissen nicht, wie man jemanden derart erniedrigt.«
    »… Aber doch nicht Aleke?«
    »O ja – mein erstes Gehalt. Das hat er aber zurückgezahlt. Und vergangenen Monat wieder, aber diesmal ist er nicht so prompt. Ich nehm’s ihm nicht übel – ihr Haus, das ist wirklich zu teuer für sie, verstehen Sie. Zuviel Platz für die Verwandtschaft, und zu essen brauchen die auch, selbst wenn’s bloß Maisbrei ist. Agnes hat außerdem noch eine Waschmaschine gekauft, und ihre Möbel müssen sie auch abzahlen.«
    »Trotzdem – das muß doch

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