Der Ehrengast
wie er, gerade erst zurück von dem einen oder anderen triumphalen Erfolg. Der Wagen war ein alter großer Amerikaner – unter dem Staub schimmerten schwach die mattlackierten Flächen –, der schwer auf seinen ausgeleierten Federn lag.
»Das ist ja ein tolles Ding.«
Shinza grinste, während er in Brays ausgebreitete Arme lief.
»Nun ja, ihr wart damals gegenüber der Stammesautoritätwirklich großzügig. Häuptling Mpana hatte bei euch eine ganz große Nummer.«
»Dann hast du also die Tochter von Häuptling Mpana geheiratet?«
»Du kennst sie, bist ihr schon begegnet!« Shinza legte seine Hand auf den Kopf des Hundes, er murmelte ihm seine Bewunderung zu, und der Hund knurrte und wedelte mit seinem Federnboaschweif.
»Das stimmt. Ein reizendes Mädchen. Du bist ein Glückspilz.«
»Der Wagen ist in keinem
derartig
guten Zustand.« Shinza lachte, setzte sich und sah sich mit dem nachsichtigen Interesse eines Gastes in Boxers Zimmer um, bei dem es sich für ihn um eines jener Weißen-Domizile handelte, die selbst ihn, der in Europa und Amerika gelebt hatte, manchmal ratlos machten.
»Wie geht es ihr? Und dem Sohn?«
»Nett von dir, daß du sie besucht hast.«
»Leider warst du gerade Zigaretten holen.«
Shinza strahlte – ein breites Grinsen, mit dem er zugab und die Tatsache quittierte, daß sie einander akzeptierten –, und schon war die Voltspannung zwischen ihnen eine andere. Er wartete ab, während Bray das Bier ausschenkte, tat es aber mit dem Ausdruck, die gemeinsame Basis gefunden zu haben. »Deshalb hab ich mir keine Sorgen gemacht.« Bray zog ein Gesicht, das seine Zweifel daran erkennen ließ, ob solches Vertrauen weise sei. »Ich wußte, daß ich mir keine Sorgen zu machen brauchte. Aber ich wollte mit dir reden – weißt du, ich möchte dir ein paar Dinge sagen, ich möchte dir zeigen …« Unter den zurückgezogenen Lippen biß er seine Zähne zusammen, und seine Hände, die er um den Bierbecher gelegt hatte, machten, halb spaßhaft, eine Geste, als würden sie einen unsichtbaren Kopf so drehen, daß er etwas in den Blick bekam. »Das ist alles. Eine Menge Weichen wurden vor langer Zeit gestellt. Nicht nur in London. Schon davor, in den allerersten Anfängen, äh, hier, daheim. Was soll denn aus all dem werden, he? Was wird denn daraus, James?«
Seine Stimme meisterte die Fragen rhetorisch hervorragend. Eswar gerade so, als hätte es die fast beleidigende, durch Vorurteile bestimmte Reserviertheit, mit der er Bray während des Gesprächs im Haus in den Bashi bedacht hatte, nie gegeben. Jetzt wurde mit der gleichen Selbstverständlichkeit eine alte Vertrautheit vorausgesetzt, mit der sie leichthin für tot erklärt worden war. Shinza verstand es, zwischen Beispielen, Anekdoten und persönlichen Überlegungen hin und her zu wechseln, ohne sich um ihre logische Aufeinanderfolge zu kümmern, weil die Verbindungsglieder in Brays Kopf ebenso da waren wie in seinem eigenen. Er klagte an, forderte, verhöhnte – immer in ihrer beider Namen. »Kayire sitzt in der Häuptlingsversammlung – dieser alte Verbrecher, der vor ein paar Jahren ein Kind vergewaltigt hat und dann dem Richter sagte, er habe als Häuptling ein Recht darauf. Diese alten Ignoranten wollte man ihrer ›Rechte‹ berauben, sämtliche Erscheinungsformen ihrer parasitären Existenz ausrotten, nach ihren Verdiensten sollten sie beurteilt werden – aber hat man je auch nur ein Sterbenswörtchen über die Abschaffung der Häuptlingsversammlung gehört? Nein, das einzige, was man gehört hat, war, daß das Versammlungshaus vergrößert werden soll, damit sich diese Fettwänste in ihren blauen Anzügen bequem breitmachen können. – Angestrichen, verstehst du. Nett hergerichtet. Mweta redet noch immer davon, wie notwendig es ist, daß die Stammesstreitigkeiten vergessen und begraben werden – so nennt man das jetzt, man redet nicht mehr davon, daß die Stammeswirtschaft abgeschafft werden muß, denn sonst würden die fetten alten Männer das Zittern kriegen –, und dabei schaut er ständig nur darauf, daß das Versammlungshaus besser hergerichtet wird. Weil die dort zusammentreten – solange er das bleibt, was er ist. Mweta hält gern große Reden über die Zeit, in der wir nur ein einziges Paar Hosen hatten – das Problem ist, daß er sich nicht mehr daran erinnert, daß wir damals aber wußten, was wir wollten. Wir wollten dieses Land vollständig umkrempeln. Stimmt’s? Wir wollten ganz von vorne anfangen und allen
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