Der Ehrengast
Straße in die Bashi war wegen der Eisenerzmine bis in die Gegend, wo Boxer lebte, in einem passablen Zustand. Die üblichen Arbeitertrupps waren da, die in der Trockenzeit die Schlaglöcher und Auswaschungen des Sommers ausbesserten, und immer mal wieder wurde er von einem barfüßigen Arbeiter, der mit einem roten Lappen am Ende eines Stockes herumstolzierte, umgeleitet, trotzdem aber kam er um zwei Uhr nachmittags bei der Farm an. Weil er so lange ohne Unterbrechung gefahren war, war er ein wenig benommen. Boxers gewienerte Gamaschen blitzten in der Sonne. »Keine Ahnung, was der alte Teufel will.« Er wiesauf der Stelle jedwede Beziehung zu Shinza oder sonstwem von sich. »Aber wenn Sie mit ihm irgendwas auszumachen haben, so ist’s mir auch recht. Lassen Sie sich ruhig Zeit. Einmal ist er gekommen, weil er sich von mir Geld leihen wollte!« Das war eines der wenigen Dinge, die Boxer zum Lachen bringen konnten: die Vorstellung, bei ihm könnte Geld für irgendwelche Darlehen herumliegen. Auch er machte sich gerade die Trockenzeit zunutze – um ein neues Wirtschaftsgebäude aufzustellen. Bray mußte einen Blick auf eine Lieferung von Fertigbetonblöcken werfen, die nicht sachgemäß verlegt werden konnten, weil sie alle falsch eingerichtet waren. »Verdammte Dinger, aus der Form herausgenommen, bevor sie trocken waren!« Die Blöcke kamen aus der neuerbauten Fabrik in Gala; Bray mußte ein Versprechen ablegen, daß er sich beschweren würde.
Boxer machte sich wieder an die Arbeit, die unbrauchbaren Blöcke auszusortieren, und rief: »Wo ist dieser Bursche? Ich weiß nicht, wo sich Seine Lordschaft höchstpersönlich gerade aufhalten, obwohl ich weiß, daß er eingetroffen ist, ich habe nämlich den Wagen seines Schwiegervaters unten bei meinem Damm gesehen – aber er hat irgendwen hiergelassen, der nach Ihnen Ausschau halten soll.« Sein Gesicht spiegelte Gefühle, die mit dem, was er sagte, nichts zu tun hatten – Verdruß über jedes neuerliche Beweisstück mißgestalteten Betons, Argwohn bezüglich der Urteilsfähigkeit der beiden schwarzen Kuhhirten, die unter seiner Oberaufsicht werkten. Der Kundschafter war verschwunden. »Aha, dürfte ihn wahrscheinlich geholt haben. Gehen Sie ruhig schon mal ins Haus. Ich hab nichts dagegen. Schenken Sie sich einen Drink ein oder verlangen Sie in der Küche Tee.« Einer der Afghanen begleitete Bray zum Haus zurück. Anzeichen für die Aufteilung der Räumlichkeiten gemäß ihren Haushaltsfunktionen einer vergangenen Epoche – als die Boxers noch als Familie dort gewohnt hatten – wurden allmählich vollständig von der Unbeirrbarkeit einer Einzelpersönlichkeit überlagert, die so ausschließlich mit der Aufzucht von Rindern beschäftigt war, daß tatsächlich keinerlei unterschiedlicheFunktionen übriggeblieben waren, die von den Räumen hätten abgelesen werden können. Das Wohnzimmer, das den gleichen schicksalhaften Weg nahm wie das Badezimmer, an das sich Bray noch vom letzten Mal her erinnerte, verlor allmählich den Charakter seiner ursprünglichen Bestimmung, nachdem zwischen dem erblindeten Silber und den Staffordshire-Hunden Phiolen mit Impfstoff, Abhandlungen über Viehfütterung, getrocknete Proben von Weideland zusammen mit drei Paaren immer noch vom Sommerschmutz überkrusteter Stiefel auf einem kleinen rotgoldenen Shiraz neben dem Sofa offensichtlich ihre ständige Heimstatt gefunden hatten. Es war nicht so, daß nichts an seinen Ort gestellt worden wäre, sondern es gab keinen Platz mehr im Haus, der nicht für alles der richtige gewesen wäre. Bray öffnete den Schrank mit den alkoholischen Getränken und holte zwischen Flaschen mit Mitteln gegen Blähsucht eine Dose Bier hervor. Er hörte einen Wagen und nahm eine zweite Dose heraus. Der wunderschöne Rüde, der auf so menschliche Weise weiblich aussah – eine Art Umkehrung des Anthropomorphismus –, erhob sich graziös aus seiner Fransenpracht und bellte an Brays Seite zur Türe hin, als er einen schwarzen Mann aus dem Wagen steigen sah. Shinza trug ein fröhlich-buntes Hemd, das über seiner Hose flatterte, und Sandalen, die er beim Gehen mit den Zehen festhalten mußte. Er erweckte beinahe den Eindruck westafrikanischer Großspurigkeit. Er ignorierte den lärmenden Hund und kam die Stufen zur Veranda und zum offenen Wohnzimmer mit einem Ausdruck selbstbewußter Verlogenheit herauf, der auf der Stelle vertraut wirkte – Filmschauspieler, Champions, sie traten träge vor die Fernsehkamera so
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