Der Ehrengast
läutete im Haus das Telefon. Es war Malemba, der ganz aus dem Häuschen war: Die Drehbänke aus Schweden waren angekommen. Er brach auf, um irgendwo einen Lastwagen zu borgen (wieder die entgegenkommendenindischen Händler), bei Malemba vorbeizuschauen und gemeinsam mit ihm die Maschinen vom Magazin der Spedition abzuholen.
Das Treffen im Haus der Tlumes unterschied sich von der üblichen gedankenlosen Stippvisite, zu der man nach der Arbeit für eine Stunde bei den Alekes oder Tlumes vorbeischaute, wo dann oft irgendeiner von Ednas Verwandten oder ein unterwürfiger kleiner Beamter, dem sein – nunmehr für Schwarze vorgesehener – Job noch neu war, herumsaß, ohne ein Wort zu reden, und Kinder, in den Händen das Abendessen, ein und aus gingen. Es gab sogar ein oder zwei Gesichter, die nicht dazugehörten; ein Fernmeldetechniker, mit dem Gordon Edwards gereist war, und die blonde Rezeptionistin vom Fisheagle Inn. Sie war diejenige, die den Minirock im Ort eingeführt hatte (es gab eine Verzögerung von etwa einem Jahr zwischen dem Zeitpunkt, zu dem eine Mode in Europa aufkam, und jenem, zu dem sie bis in den Busch vorgedrungen war), aber in dieser gemischten Gesellschaft hielt sie die berühmt gewordenen Oberschenkel sittsam wie einen affektiert verzogenen Mund zusammengepreßt. Die Ärzte Hugh und Sally Fraser aus dem Missionshospital waren da, in ihrer Gesellschaft ein junger Finne, der gerade von Westafrika zu Fuß hier herunter gekommen war – sein Rucksack lehnte an der Wand. Er trug ein Hemd mit dem Porträt irgendeines afrikanischen Führers, das rauh und vom Schweiß und vom vielen Gewaschenwerden ausgebleicht war, und hatte auf dem Kopf eine, für sein Alter eigentlich verfrühte, kahle Stelle, so daß er wie ein jugendlicher Heiliger auf einem billigen Votivbild aussah. Sampson Malemba hatte sich, nach der Drecksarbeit des Be- und Entladens der Maschinen, in seinen besten dunklen Anzug geworfen. Aleke trug ein braunes Lederwams mit Fransen – ein Geschenk von Gordon; woher wußte der nur, was über Alekes mächtigem Brustkorb so hervorragend sitzen würde? Aber man hatte den Eindruck, als würde Gordon Edwards Dinge erwerben, die – konnte man lesen – wie Schlüssel zum Fortschreiten seines Lebens in seinemBesitz blieben: Er war zu einem bestimmten Zeitpunkt zufällig hier, um das eine aufzulesen, und zu einem anderen zufällig da, wenn etwas anderes zu haben war. Und in derselben zufälligen Weise kam dabei heraus, daß diese Dinge dem einen ausgezeichnet paßten oder genau das waren, was jenem gefiel.
Die Alekes, Tlumes, Frasers – sie alle akzeptierten Brays und Gordon Edwards’ gleichzeitige Anwesenheit, ohne sich etwas anmerken zu lassen. Es hätte abgesprochen sein können, so gemütlich und selbstverständlich war diese Verschwörung von Freunden: Er war nicht ganz sicher, war er der Hauptdarsteller oder das Opfer? Alle waren so ausgelassen. Manchmal hatte er das Gefühl, er sei ein betrogener Ehemann; Rebecca trug ein neues Kleid (auch ein Mitbringsel?), und als er mit ihr tanzte, setzte sie den erhitzten, verlogenen Gesichtsausdruck eines jungen Mädchens auf. Wer konnte – wie sie angedeutet hatte – glauben, daß der geschmeidige, kleine Mann nicht mit ihr schlief? Physische Eifersucht lähmte plötzlich seine Arme, so daß er sie beinahe losgelassen hätte. Inmitten der Unterhaltung erwartete sie von ihm, daß er von ihren Lippen las – »Ich werd versuchen, einmal früh am Morgen zu kommen.« Er murmelte: »Nein, tu’s nicht.« Sie zog ein Gesicht, halb verletzt. Sie sagte: »Fahren wir wieder an den See.
Du
schlägst es vor. Sonntag.« Ein Familienausflug. Er spürte, daß er lächelte – der gehörnte Liebhaber. »In Ordnung, ich spiel den Gastgeber.« Gordon Edwards tanzte wieder und wieder mit dem großen, kultivierten Flittchen aus dem Fisheagle; er war wohl der Grund für ihre Anwesenheit. Vielleicht wohnte er also doch im Hotel? Idiot, Idiot. Er beobachtete sich selbst amüsiert und voll Grausamkeit, wie schon so oft, seit er hierher zurückgekehrt war, wo alles eigentlich die Vertrautheit des doppelt Erlebten, der Vergangenheit, haben und Sicherheit spenden sollte. Aleke übernahm die Blonde aus dem Fisheagle; er hielt sie in seinen großen, selbstsicheren schwarzen Händen zärtlich umfaßt wie die Tauben seiner Kinder, sie hatte ihre falschen Wimpern auf die Wangen herabgesenkt – wie auf Besuch in ein fremdes Land war sie aus dem sicheren Unterschlupf des
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