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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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Form der Intimität, die sozusagen unter dem hastig gemachten Bett hervorlugte. Sie dabei ertappt zu haben, bereitete ihm eine kleine Befriedigung. Sie sagte: »Besser ich verlasse euch beide jetzt, so sehr ich eure Gesellschaft schätze – Aleke braucht seine Sekretärin. Ich hab mich bereits um eine halbe Stunde verspätet.« »Ruf den Burschen an und sag ihm, du nimmst dir den Nachmittag frei«, instruierte sie der fesche Mann. »Soll ich’s für dich tun?« »O nein, Gordon, ich kann nicht, er hat mir erst gestern freigegeben, und morgenfängt ohnehin schon das Wochenende an. Am Montag türmt sich dann alles.« Er zuckte die Schultern. »Also, ab durch die Mitte, wenn’s sein muß, dann geh …« Sie legte ihren Kopf zur Seite: »Schlüssel?« Er warf ihr die Autoschlüssel zu, sie griff daneben, und beide bückten sich danach. »Kein Wunder, daß mein Sohn nicht Kricket spielen kann.« Er gab ihr einen Klaps auf das Hinterteil. »Husch! Und ja keinen Unfug mit Überstunden oder ähnlichem. Verstanden? Um sechs kommen Leute zu Besuch. Hast du gehört?«
    Im Laufen wandte sie sich noch zu ihnen um und nickte wie mit einem Puppenkopf. Ihre Oberschenkel bebten wie an dem Tag, als sie auf der Insel aus dem Wasser gestiegen war.
    Die Kinder stiegen auf den Feigenbaum und bewarfen sich gegenseitig mit den verschrumpelten Früchten; auch ihr Benehmen war völlig verändert – unterwürfige kleine Kreaturen, die herumliefen und sich dabei scheu umsahen und sich die heftigen Auseinandersetzungen und angeberischen Spiele für einen Zeitpunkt aufhoben, zu dem dann, fern von den furchteinflößenden Erwachsenen, nur ihr eigenes Gesetz galt. Im Gegensatz dazu waren Brays Töchter als Kinder so selbstsicher gewesen, hatten die Unterhaltung mit einem Sekretär der Kolonialverwaltung zu Besuch um neun oder zehn ebenso vollständig gefaßt abgewickelt, wie sie beim Lunch gegenüber einem schwarzen Nationalisten höflich eine Ansicht geäußert hatten. Wie ihre Mutter waren sie fähig, mit jedermann zu reden und zu jedermann Distanz zu wahren.
    Der Gatte stand mit der sofortigen und nichtssagenden Freundlichkeit dessen herum, der immer unterwegs ist. Das war die Art, wie er in den Bars und Hotels in ganz Afrika zu Hause war; ein Mann, der – weil er sich nirgends für längere Zeit aufhält – sofort das Auftreten eines alten Bekannten hat, egal, wo er gerade ist. Genauso unterhielt er sich wahrscheinlich im Stehen mit dem Besitzer einer Reparaturwerkstätte in einem Dorf im Kongo, wo (wie er Bray erzählte) sein Wagen kaputtgegangen war, wie er es jetzt mit dem mittelalterlichen Colonel tat, für denseine Frau Schreibarbeiten erledigte. Er war »so übergeschnappt«, Geschäftsinteressen im Kongo zu haben – »Aber ich hab meinen Spaß dabei gehabt. Hab mich zurückgezogen. Man kann da immer noch Geld machen, aber die Belgier sind mit solcher Macht zurückgekehrt, daß sie alle anderen vertreiben … die guten alten Kongolesen ziehen es vor, mit den Teufeln zusammenzuarbeiten, die sie schon kennen, und nicht mit einem Teufel wie mir. Tatsächlich.« (Shinzas altes Sprichwort, das er auf Mweta angewandt hatte, tauchte hier in einem neuen Kontext auf.) »Ich kenn diesen Mann – Belgier –, der ist jetzt zum vierten Mal wieder aufgetaucht. Zuerst hatte er eine Erdgaskonzession in der Provinz Kivu oben – die Kraterseen, in denen wartet eines Tages noch ein Vermögen auf irgendwen, sofern man’s erlebt. Dann war er in Industriediamanten in den Kasai, die wollten sich gerade selbständig machen, und er war knapp daran, ein Konsortium zu finden, das bereit war, ihre Diamantenindustrie zu finanzieren, als sie der Union Minire einen Tritt gaben.« Er zeigte sein träges, appetitliches Lächeln, ironisch und weltmännisch-gutmütig, gute Zähne. »Keine Ahnung, was es beim dritten Mal war. Jetzt ist er jedenfalls im Devisengeschäft zwischen Lubumbashi und Zambia. Er hat mir gesagt, daß er sich in Europa ›unnütz‹ vorkommt. Er sagt, die Menschen hier brauchen Hilfe, damit es weitergeht – sie nehmen’s, wie’s kommt. Während sich die Russen, Chinesen und Amerikaner gegenseitig auf die Finger klopfen, muß man zusehen, daß man zurechtkommt.«
    »Sie halten uns für Teufel?« sagte Bray.
    Anwesende waren ausgenommen. »Sie wissen es genausogut wie ich. Die Weißen treiben sich nicht aus Sorge um die eigene Gesundheit in Schwarzafrika herum. Wo immer ein Vakuum entsteht, gibt es die Jungs, die nicht zögern, es zu

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