Der Ehrengast
Hotelsins Haus der Tlumes gekommen. Agnes Aleke trug die Perücke, die sie, wie Rebecca erzählte, über den Postversand bestellt hatte, und sah wie eine hübsche amerikanische Negerin aus. Sie redete mit dem Finnen über ihre Sehnsucht, einmal die Städte Europas zu sehen, dabei hielt sie ihren Kopf wie eine Frau, die einen neuen Hut trägt. Für ihn waren das Schlachtfelder, auf denen Jugendliche die Wagen reicher Leute umstürzten und in den Mausoleen toter Autoritäten auf Teppichen campierten, nicht ihr Einkaufsparadies. »›Nette Dinge?‹« sagte er in seinem langsam artikulierten Linguaphone-Englisch. »Sie haben hier nette Dinge – die Form der Bäume, die runde Sonne, diese wunderbaren
fruits
–« auf seinem Knie balancierte er eine Mangofrucht, die er streichelte. Sie reagierte auf seinen Mangel an Intellektualität mit gönnerhafter Koketterie – »Dieses Hemd? In Afrika haben Sie das gekauft? Wer ist dieser Präsident, oder wer das sein mag?«
Der Finne schielte auf seine Brust hinunter, und so, als legte er eine Hand auf den Kopf eines Hundes, der ihm überallhin folgte, sagte er: »Sylvanus Olympio.«
»Aber, leider Gottes,
assassiné
– mausetot.« Bray hatte sich an Agnes gewandt, um ihr diesen Vorteil zu verschaffen.
Der Finne erklärte ungerührt: »Das ist egal«, in einem Ton, der zu verstehen gab, der da sei trotzdem ein anständiger Bursche, ob nun tot oder lebendig, und im Grunde anständiger als so manche, die noch immer am Leben waren, vielleicht sogar in diesem Raum.
Agnes’ Gönnerhaftigkeit brach in sich zusammen und schlug in das ungehemmte afrikanische Gekicher um, das sie zu lähmen schien und, nach einem kurzen Seitenblick, auch auf Edna übergriff. Dieses offene und unaggressive Vergnügen auf seine Kosten brachte den Nordländer, der auch schon eine Menge Bier getrunken hatte, zum Schmelzen. Er tanzte jetzt wild drauflos, allerdings allein. Er war so dünn, daß sein Geschlecht in den eingegangenen Jeans an seinem Körper die einzige Kurve bildete.
Die Einwanderungsbeamten an der Grenze hatten sein Geld be schlagnahmt. Bray sagte: »Das ist ganz normal, das machenalle Länder so – er hat kein Rückflug-Ticket. Sie müssen sich schützen, für den Fall, daß er ihnen hier sitzenbleibt.«
»Dann werden wir ihm also inzwischen ein Taschengeld zahlen müssen.« Die Frasers musterten ihn beiläufig.
»Oh, er wird nicht viel brauchen.«
Aleke lächelte und bemerkte gegenüber Rebecca: »Wir könnten an die Einwanderungsbehörde schreiben? Die Mission würde für ihn garantieren, ja? Vielleicht bringen wir sie dazu, daß sie mit einem Teil des Geldes wieder herausrücken?«
»Das wäre großartig«, sagte Hugh Fraser. »Er soll sich übrigens bei der Polizei melden, während wir in der Stadt sind.«
»Ich glaub aber nicht, daß der Kommissar da ist.« Aleke sah einen Augenblick unsicher zu Bray hin, dann erklärte er ihm in der abwesenden Art, mit der er derartige Angelegenheiten abhandelte: »Es hat irgendwelche Gerüchte über Ärger in der Eisenerzmine dort oben gegeben.«
»Ach, welcher Art denn?«
»Keiner weiß, wie diese Dinge gelaufen sind, solange sie nicht vorbei sind. Irgendwas wegen Überstunden.«
Die Gewerkschaft hatte gerade einer Abkühlungsfrist von achtundvierzig Stunden zugestimmt, bevor sie einen Streik offiziell anerkennen wollte. »Wird gestreikt?«
»Offenbar.«
»Wir haben gehört, man soll eine Wagenladung hiesiger PIP -Jungs gesehen haben, die in die Bashi hinauf unterwegs waren«, sagte Fraser. »Morgen werden wir’s wissen – wenn die ersten Schädelfrakturen ins Spital eingeliefert werden. Ota, besser, du bleibst nüchtern, vielleicht mußt du früher an die Arbeit, als du glaubst.«
»Soll mir recht sein. Mir ist’s immer noch lieber, Köpfe zu verbinden als Leute zu begraben.« Die hellen blauen Augen, die Europa aufgegeben hatten, wandten ihren Blick ohne Mitleid und Urteil Afrika zu. Sein Brustkorb hob sich unter dem Freiheitshemd, und wieder begann er zu tanzen.
»Wo hat er es denn überhaupt her?« sagte Rebecca.
»Ein Mann geben’s mir«, sagte er. »Ich hab bei ihm in seiner Hütte gewohnt, ein kleines Loch, Dach aus Bananenblättern, aber drinnen ist’s kühl. Am Ende, wissen Sie, sagen er, ist kein neues Hemd – aber er geben’s mir.«
»Wir müssen ihm eins besorgen, wo Mweta drauf ist, jetzt, wo er hier ist. Kein gebrauchtes.
Wir
können uns das leisten.« Rebeccas neue kumpelhafte Art, mit Bray zu reden. Nicht ganz
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