Der Ehrengast
so neu; es war eher schon ihre Art Verhalten aus den Tagen, als sie in der Hauptstadt im Clan der Bayleys eine grüne Witwe gewesen war, eher die Art, wie sie mit den Männern dort geredet hatte. Die übliche Vertuschung des Was-und-Warum einer anderen Form von Beziehung inmitten der übrigen Gesellschaft. Ihr anderes, neues Verhalten – die versteckte Koketterie – zeigte sich ebenfalls dann und wann unter der Oberfläche. Zu ihm hin, aber nicht an ihn gewandt, fragte sie: »Hat es da nicht in der Fischfabrik vor nicht allzulanger Zeit einen Streik gegeben?«
»Oh, das ist ein unguter Haufen. Immer kocht’s da irgendwo. Aber das hat man beigelegt, diese andere Sache.« Alekes Antwort war für alle bestimmt.
Bray fühlte, wie sie ihn beobachtete. Er sagte: »Am See ist alles friedlich. Wir sollten das eigentlich ausnützen und hinunterfahren. Wie wär’s mit Sonntag?« Alle waren Feuer und Flamme. »Ich bring das Essen mit, Kalimo wird alle Hände voll zu tun haben. Nein, nein – das ist meine Party.« »Kann man da mit der Harpune fischen?« Gordon wollte es von ihm auf der Stelle ganz genau wissen. »Um Himmels willen, hoffentlich hast du meine Ausrüstung hier oben?« fügte er zu Rebecca gewandt hinzu, und sie sagte sanft, zu seiner Beruhigung: »Alles im braunen Blechkoffer. Alles intakt.« »Ich hab’s noch nie ausprobiert, aber eigentlich sollte es gehen.« »Wir werden es auf alle Fälle ausprobieren, hm? Haben Sie ein Boot?« »Dort gibt’s überall Einbäume, und man wird Ihnen gerne einen überlassen.«
»Du wirst keinen
nötig
haben«, versicherte ihm Rebecca begeistert. »Da gibt’s Millionen Fische. Sie sind mir zwischen den Beinen durchgeschwommen. Man braucht nicht erst meilenweitin den See hinauszugehen. Sie sind überall, rund um die ganze Insel.«
Der Ehemann unterzog sie nun geduldig einem Verhör, wie man es tut, wenn man von den Aussagen eines Menschen, dessen persönliche Eigenheiten man nur allzugut kennt, Abstriche macht. »Wenn es diesem Mädchen einmal irgendwo gut gefallen hat, übertreibt sie wie der Teufel.«
Ihre Augen glänzten, übervoll; es war ihre Art rot zu werden, und sie zog vor den beiden ihr breites Kinn zurück. Gordon Edwards sagte zu Bray, wie um ihn aufzufordern, sie zu bewundern: »Sind Sie jemals einer Frau begegnet, die Simone Signoret so ähnlich sah? Sind Sie das? Die Haltung des Kopfes und der kräftige Hals? Die Form des Kinns?«
Sie blickte ihn nicht an. Sie fuhr den Ehemann lebhaft an: »Sie ist fett, und die Jüngste ist sie auch nicht mehr. Außerdem hat sie ein Doppelkinn.«
»Blödsinn. Ich kann nur hoffen, es gelingt dir, so auszusehen wie sie, wenn du älter bist, mehr nicht. Dann kannst du verdammt von Glück reden.«
Er war nicht sicher, wer Simone Signoret war – eine Schauspielerin, soviel war klar, aber er und Olivia gingen kaum je ins Kino. »Nun, um ehrlich zu sein, hab ich das gar nicht bemerkt …«
»Diese alte Schachtel!«
Sie lachten gemeinsam über ihre Empörung.
Er wohnte also bei den Tlumes; zu jeder Tages- und Nachtzeit tauchte er auf, redete schon, bevor er noch richtig da war – das tadellos gebürstete Haar mit den Streifen drin, die olivfarbene, sonnengebräunte Haut und die schwarzen Augen, die er selbstbewußt durch den Raum schweifen ließ. Er behandelte jedermann so, als würde er ihn schon sein ganzes Leben lang kennen, und wies jedem einzelnen entschlossen und ohne alle Zweifel den entsprechenden Platz in den Beziehungsrastern zu, die er über die Welt gelegt hatte. So unterstellte er auch Bray, in dem er schnell einen langjährigen Autoritätsträger von Berufs wegenerkannte (und ebenso unbefangen hätte er die jeweils brauchbaren Eigenschaften eines Devisenschmugglers oder eines Arztes erkannt, der sich nicht weigern würde, mit einer Abtreibung auszuhelfen), er eigne sich als Alliierter bei diversen Beschlüssen, die sich nicht so sehr gegen Rebecca richteten, sondern ihre Vorschläge umstandslos vom Tisch wischten. »Sinnlos, Alan und Suzi in irgendeine Schule zu stecken, solange das Kleine zu Hause ist. Sie sind immer noch in dem Alter, in dem sie ihre Mutter und ein geordnetes Familienleben brauchen. Welchen Sinn hat es denn für eine Frau, Kinder zu haben, wenn sie sie dann nicht aufzieht? Sie war verdammt versessen auf Kinder. Es wäre verrückt, sie wieder für ein paar Monate aus der gewohnten Umgebung zu reißen – es hängt nur davon ab, wie lange ich brauche, bis ich meine Angelegenheiten
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