Der Ehrengast
während der Unabhängigkeitsfeiern, mit Bayley und den anderen gegangen war. Rebecca hatte sie entdeckt, war aber nicht dabeigewesen; er erinnerte sich daran, wie er im Wagen vor dem schäbigen Mietshaus gewartet hatte, während Neil Bayley Kiesel an die Fenster geworfen hatte. Aber das Mietshaus blieb in Dunkel gehüllt; eine andere Zeit, eine andere Rebecca.
In dieser gegenwärtigen Dunkelheit erkannte er die Trockenreinigung von Mrs. Okoi und, gegenüber, das, was das Haus der Gomas sein mußte; auf den Ziegeln da waren einmal Zahlen aufgemalt gewesen, aber sie waren schon vor langem verblichen. Es war eine der wohlhabenderen Straßen, und im Freien standen keine offenen Roste, dafür aber hatten Kinder und Banden von Jugendlichen sie mit ihrem Geschrei, Gelächter und Spiel in Beschlag genommen, während die Jüngsten – wie der Esel, der still danebenstand – schon im Stehen schliefen. Dem Grundriß des üblichen Zwei-Zimmer-Hauses waren rundum Anbauten hinzugefügt worden, und zur Veranda an der Vorderfront führte ein glatter Betonstreifen; die Verandatür fehlte, und ein Hund, dessen Leine zu einem Draht führte, der zwischen zwei Pfosten gespannt war, so daß er hin und her laufen konnte, wurde, wie ein Fisch am Angelhaken, mit einem würgenden Ruck hochgerissen, als er versuchte, an Bray heranzukommen. Er mußte lange klopfen, bis jemand kam: ein hübsches, kleines Kind im Pyjama. Es sah ihn an und rannte davon. Aber er konnte Stimmen hören und jenseits des winzigen Raumes, auf den die Tür sich öffnete, Shinzas Lachen. Im Zimmer Stühle mit senkrechten Lehnen, ein Eisschrank und eine
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, ein altes Sofa, das für zwei weitere kleine Kinder, die unter dem gelben Licht schliefen, als Bett hergerichtet war. Schließlich öffnete sich die innere Tür und gestattete einen kurzen Blick auf Gesichter und Gesten hinter einem Schleier aus Rauch und aufgestauter Hitze. Eine Frau blickte ihn an und wandte sich gleich wieder zurück, um sich aus dem Raum hinter ihr Direktiven zu holen, dann aber trat ungeduldig Cyrus Goma heraus, und kaum hatte er bemerkt, wer es war, kam er näher und schloß die Türe hinter Bray, um ihnwillkommen zu heißen. »Kommen Sie nur herein. Meine Mutter … Mein jüngerer Bruder … Basil Nwanga … Linus Ogoto …« Das Haus war voll. Alles Leute vom Kongreß. Shinza hatte sich erhoben und stand mit zufriedenem Gesicht herum; er legte Bray einen Arm auf die Schulter. Am Ende des Tisches spielten zwei Männer Karten – blind gegen alles, den Blick wortlos hinunter in ihre Karten und herauf zum Gesicht des anderen gerichtet. In einem freien Winkel, den er am Boden gefunden hatte, machte ein Junge seine Hausaufgaben. Das Radio spielte. Eine junge Frau brachte ein rosa Glas mit Goldrand, und Shinza schenkte Bray ein Bier ein. Cyrus Gomas Mutter thronte wie ein Hausgott in seinem Schrein ein wenig abseits auf einem seltsamen dunklen Holzgestühl, einer Art Kirchenbank, auf das sich verständlicherweise kein anderer Mensch jemals zu setzen gewagt hätte. Beim zweiten Hinsehen kapierte Bray dann, daß es sich dabei um einen altmodischen Nachtstuhl handelte, der für weniger intime Benutzung adaptiert worden war; welches Mitglied der Familie Goma ihn auch immer erstanden haben mochte – wahrscheinlich hatte es keine Ahnung gehabt, was seine ursprüngliche Bestimmung gewesen war. Die alte Frau war groß und schwarz, wie es nur Leute waren, die aus dem an den Kongo angrenzenden Teil des Landes stammten. Die Gesichtszüge, die Cyrus geerbt hatte, waren eine Bleistiftskizze des Hauptmotivs, das hier ganz ausgeführt war; der Kopf ragte, massiv wie ein Block, empor, die Nasenflügel hatten Schneckenform, die breiten, vorgestülpten Lippen den Blauton des Alters, die Augen waren blutunterlaufen – eins trat ein wenig hervor (möglicherweise ein leichter Schlaganfall), und die Ohrläppchen – Schmuck, der sich selbst genügte und verächtlich allen anderen Zierat zurückwies – hingen bar der Kupferringe, die einstmals in ihnen gesteckt waren, bis zu den fleischigen Schultern herab. Die Füße unter ihrem langen Baumwollkleid waren nackt. Sie sagte kein Wort, nahm Brays Erscheinung nur mit einem einzigen tiefen Atemzug zur Kenntnis, dem aus stolzer Höhe ein großartiges Neigen des Kopfes folgte. Dann und wann hustete sie und zog mit einem vonallen ignorierten Geräusch Schnupftabak auf. Es war zugleich traurig und ein Zeichen für den ihr gebührenden Respekt: man vertrieb
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